Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />
überwiegende Teil der Interviews im Radio ausgestrahlt wurde (83.3%), dürften die unterschiedlichen<br />
kommunikativen Situationen zudem eine gewisse Rolle spielen: Den Teilnehmenden<br />
sollte bewusst sein, dass es den RezipientInnen nur schwer möglich ist, bei<br />
gleichzeitigem Sprechen mehreren SprecherInnen akustisch zu folgen. Die Strategie, zur<br />
Behauptung des Rederechts einfach weiter zu sprechen <strong>oder</strong> lauter zu werden, ist im Radio<br />
möglicherweise wirkungsvoller als in einer kommunikativen Situation, in der die SprecherInnen<br />
auch optisch wahrgenommen werden. Die Ergebnisse können zumindest so gelesen<br />
werden, denn in den Interviews wird diese Strategie häufiger angewandt als in den Debatten,<br />
die vornehmlich im Fernsehen ausgestrahlt wurden. In Debatten wird die Gegenstrategie<br />
lauter bzw. weiter zu reden in 72.4% angewandt, in Interviews in 86.3%. Interessant ist<br />
jedoch auch, dass die M<strong>oder</strong>ation in Debatten nur selten explizit auf Verletzungen der Gesprächsregeln<br />
hinweist und sich somit auch kaum aktiv um ein respektvolleres Diskussionsklima<br />
und somit um die Hebung der Diskursqualität bemüht.<br />
Klassische Medien: Ökonomische Stellung der Anbieter<br />
Die Analyse der versuchten Unterbrechungen hat gezeigt, dass insgesamt in den dialogischen<br />
Formaten der öffentlichen Anbieter häufiger versucht wird, das Gegenüber zu unterbrechen<br />
als bei den Privaten. Nun interessiert, wie darauf reagiert wird.<br />
Gegenstrategie Öffentlich Privat<br />
lauter reden / weiterreden 71.6% 78.4%<br />
Redeteil wiederholen 19.6% 17.0%<br />
Unterbrechung selbst thematisieren<br />
8.8% 4.5%<br />
n = 682 n = 264<br />
Tabelle 24: Gegenstrategien zur Behauptung des Rederechts nach Anbieter<br />
Tabelle 24 kann entnommen werden, dass die Gewichtung der Gegenstrategien zur Behauptung<br />
des Rederechts bei beiden Anbietern ähnlich ausfällt. Allerdings kommt die<br />
stärkste Form, die Thematisierung der Unterbrechung, bei den Öffentlichen knapp doppelt<br />
so häufig vor wie bei den Privaten. Das deutet darauf hin, dass sich die Beteiligten in den<br />
dialogischen Formaten der SRG SSR idée suisse stärker durch Zwischenrufe und versuchte<br />
Unterbrechungen gestört fühlen als in denjenigen der Privaten. Es wurde ja bereits festgestellt,<br />
dass in den Sendungen der öffentlichen Anbieter häufiger versucht wird, das Gegenüber<br />
zu unterbrechen als bei den Privaten.<br />
Klassische Medien: Sprachregionen<br />
Auf Ebene der Sprachregionen fallen die Resultate bezüglich der gewählten Gegenstrategie<br />
zur Behauptung des Rederechts sehr ähnlich aus. In der Deutschschweiz kommen die stärkeren<br />
Formen etwas häufiger zur Anwendung als in der Romandie. Dies mag zum einen<br />
daran liegen, dass die Debatten – in denen die Metakommunikation zum kommunikativen<br />
Respekt ausgeprägter ist als in Interviews, in denen sie gänzlich fehlt – in der Deutschschweiz<br />
ein stärkeres Gewicht einnehmen. Zum anderen ist es denkbar, dass die versuchten<br />
Unterbrechungen in der Romandie, wo solches Verhalten trotz des geringeren Gewichts<br />
der Debatten häufiger vorkommt als in der Deutschschweiz, nicht in gleichem Masse als<br />
respektverletzend wahrgenommen werden.<br />
Kurzzusammenfassung: Die bestimmende Gegenstrategie, die die AkteurInnen der Medienarena<br />
zur Behauptung des Rederechts anwenden, ist, lauter zu reden <strong>oder</strong> einfach ungerührt<br />
weiter zu sprechen. Das ist in etwas weniger als drei Viertel aller Gegenstrategien<br />
der Fall. Am zweithäufigsten wiederholen die Sprechenden den Teil ihrer Aussage, der von<br />
der versuchten Unterbrechung tangiert wurde. Manchmal wird auch lediglich ein Wort<br />
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