Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Fazit: <strong>Stimmengewirr</strong> <strong>oder</strong> <strong>Dialog</strong>?<br />
durch die Teilnehmenden hergestellt, diese äussern rund 3.5-mal häufiger Geltungsansprüche,<br />
in denen die Person im Vordergrund steht als die M<strong>oder</strong>ation, die eine Auseinandersetzung<br />
auf dieser Ebene nur selten sucht. Die Schwerpunktsetzung wird eindeutig auf<br />
Sachfragen gelegt, nur ein geringer Anteil aller gestellten Fragen zielt darauf ab, eine subjektive<br />
Einschätzung der Teilnehmenden anzustossen. In den meisten Fällen zielen die<br />
Fragen auf eine Positionierung der TeilnehmerInnen, ebenfalls relativ häufig werden die<br />
Teilnehmenden aufgefordert ihre Aussagen zu präzisieren. Die Medienleistung besteht<br />
somit darin, zu gewährleisten, dass das Publikum die Standpunkte der AkteurInnen verorten<br />
und eine Präferenzordnung der Positionen erstellen kann. Für die Diskursqualität ist<br />
insbesondere von Bedeutung, dass Unklarheiten über Nachfragen ausgeräumt werden, hier<br />
wirkt das Rollenverständnis der M<strong>oder</strong>atorInnen auf den Diskurs förderlich.<br />
Abschliessend kann festgestellt werden, dass die M<strong>oder</strong>ation zwar den Diskurs befördert,<br />
aber gerade wegen ihrer Sonderstellung als „Drehscheibe“ die intensivere Auseinandersetzung<br />
der Teilnehmenden untereinander gleichermassen behindert. Diese Funktion der Diskursorganisation<br />
kann die M<strong>oder</strong>ation natürlich nur dann wahrnehmen kann, wenn sie in<br />
ihrer Rolle als Schaltstelle respektiert wird, sprich die Teilnehmenden zu einem überwiegenden<br />
Teil darauf verzichten, das Gespräch selbst zu organisieren. Die Medien fördern<br />
also das Darstellen verschiedener Positionen, erschweren durch die allgemein anerkannte<br />
Diskursrolle zwar einen <strong>Dialog</strong> zwischen den Teilnehmenden, kompensieren aber diesen<br />
mangelnden Austausch ansatzweise, indem sie selber verstärkt argumentative Bezugnahmen<br />
herstellen. Der auf den ersten Blick paradoxe Effekt einer Diskursverschlechterung in<br />
einem Bereich durch eine Diskursverbesserung in einem anderen Bereich entsteht also<br />
dadurch, dass die M<strong>oder</strong>ation als Vermittlerin des Gesprächs gleichsam zwischen die Teilnehmenden<br />
tritt. Damit wird nicht zuletzt auch die von Steiner et al. (2004) beschriebene<br />
Komplexität der Diskursqualität offensichtlich: Sie ist kein homogenes, eindimensionales<br />
Konstrukt, dass anhand von bestimmten Werten in einem Bereich direkte Schlussfolgerungen<br />
über die anderen Aspekte zulassen würde. Während manche Formen der Diskussion in<br />
einigen Diskursdimensionen hohe Werte erzielen, liegen sie hinsichtlich anderer Dimensionen<br />
klar unter dem Durchschnitt. Anhand der verschiedenen komparativen Ebenen im<br />
vorliegenden Projekt wird dabei zusätzlich offensichtlich, dass Massnahmen, die den Diskurs<br />
befördern sollen, gleichzeitig zu nicht-intendierten Konsequenzen in anderen Bereichen<br />
führen, die der Diskursqualität wiederum abträglich sind. Dies zeigt sich in Bezug zur<br />
Rolle der M<strong>oder</strong>ation wie auch insbesondere im Vergleich zwischen Radio und Fernsehen<br />
einerseits und den Online Foren andererseits. Gerade in diesem letztgenannten Bereich<br />
haben die genannten Unterschiede aber auch weitreichende Auswirkungen auf die Stellung<br />
der einzelnen Formate im politischen Prozess und in Bezug zur individuellen Meinungs-<br />
und Willensbildung, auf die in den abschliessenden Schlussbetrachtungen noch näher eingegangen<br />
werden soll.<br />
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