Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Thematisierung von Geltungsansprüchen <strong>oder</strong> wie begründet und worüber die AkteurInnen sprechen<br />
7 Thematisierung von Geltungsansprüchen <strong>oder</strong> wie<br />
begründet und worüber die AkteurInnen sprechen<br />
Die Kategorie „Rationalität“ ist für die Bestimmung der Diskursqualität zentral. In erster<br />
Linie interessiert, ob die TeilnehmerInnen ihre Aussagen begründen <strong>oder</strong> vielmehr nur<br />
Behauptungen aufstellen. Unbegründete Aussagen sind für GesprächspartnerInnen wie<br />
RezipientInnen weder auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar noch bieten sie eine geeignete<br />
Grundlage, um vernunftmässig zu einer (politischen) Meinung zu gelangen. Für<br />
den politischen Prozess ist dies indes höchst bedeutsam, da das demokratische Prinzip auf<br />
eine Konsensfindung abzielt. Der „Konsens“ wird – insbesondere im Fall der direktdemokratischen<br />
Mitbestimmung (mittels Abstimmungen) – durch die Mehrheitsentscheidung<br />
bestimmt, im Idealfall aber von möglichst vielen Personen getragen, d.h. akzeptiert. Akzeptanz<br />
wiederum wird nicht zuletzt über die begründete Argumentation hergestellt.<br />
Aus diesem Grund wurde erhoben, welche Art von Geltungsansprüchen die DiskursteilnehmerInnen<br />
in die Diskussion einbringen und, ob sie diese begründen. Unter einem Geltungsanspruch<br />
wird eine Hauptaussage verstanden. Dadurch wird der Diskurs in (thematisch<br />
abgegrenzten) grösseren Sinneinheiten der Argumentation erfasst. Zu erheben, ob<br />
eine einzelne Aussage begründet ist <strong>oder</strong> nicht, erscheint wenig sinnvoll: Aus der Perspektive<br />
der RezipientInnen geht es insbesondere darum, ob eine Argumentation (die aus mehreren<br />
Aussagen bestehen kann) rational nachvollziehbar ist. Deshalb kann ein Geltungsanspruch<br />
unter Umständen einen ganzen Redebeitrag bzw. ein ganzes Post einnehmen. In der<br />
vorliegenden Untersuchung wird zunächst unterschieden, ob ein Geltungsanspruch erhoben,<br />
d.h. eine <strong>oder</strong> mehrere Thesen, Behauptungen <strong>oder</strong> Feststellungen geäussert werden<br />
<strong>oder</strong> ob ein bereits thematisierter Geltungsanspruch kritisiert wird. Kritik wurde nur als<br />
solche gewertet, wenn sie diskursimmanent war, d.h. wenn sie sich gegen die Aussagen<br />
anderer DiskursteilnehmerInnen <strong>oder</strong> auf diese Personen selber richtete. Dies stellt insofern<br />
die Hauptdimension der Untersuchung dar, als ein Diskurs – unabhängig davon, ob<br />
deliberativ <strong>oder</strong> nicht – darin besteht, eigene Geltungsansprüche zu erheben bzw. diejenigen<br />
des Gegenübers zu kritisieren.<br />
Von Interesse ist in diesem Zusammenhang, ob sich die Teilnehmenden tatsächlich zum<br />
Thema äussern <strong>oder</strong> vom eigentlichen Gesprächsgegenstand abschweifen. Ein <strong>Dialog</strong>, der<br />
sich in weiten Teilen nicht dem Abstimmungsthema widmet, ist für RezipientInnen, die<br />
sich eine Meinung zur Vorlage bilden möchten, kaum bedeutsam. Themenfremde Geltungsansprüche<br />
können zwar ein hohes Mass an Reflexivität aufweisen, die Argumentation<br />
kann sehr wohl begründet sein, dennoch werden sie aus obgenanntem Grund in einigen<br />
Teilen der Untersuchung 133 ausgeklammert, denn solche Gesprächsteile sind für die politische<br />
Meinungsbildung generell eher abträglich als förderlich. Will man die Diskursqualität<br />
mit Blick auf die politische Meinungs- und Willensbildung untersuchen, würden die Ergebnisse<br />
für themenfremde Geltungsansprüche den Vergleich somit verzerren. Die jeweiligen<br />
Anteile an themenfremder Diskussion werden jedoch einleitend ausgewiesen und sind<br />
für die Bestimmung der Diskursqualität in ihrer Gesamtheit zentral. Des Weiteren werden<br />
Gesprächsteile ausgeklammert, in denen die Teilnehmenden entweder so früh unterbrochen<br />
werden, dass sie sich zum Thema gar nicht äussern können <strong>oder</strong> lediglich Höflichkeiten<br />
wie Begrüssungen austauschen. Solche Aussagen wurden nicht als Geltungsanspruch gewertet.<br />
Eine letzte Einschränkung betrifft Zitate zum zur Diskussion gestellten Thema –<br />
133 Themenfremde Geltungsansprüche wurden in folgenden Teilen der Analyse ausgeklammert: Begründung<br />
von Geltungsansprüchen, Klassifizierung nach subjektiver, normativer, sachlicher Ebene sowie bei der detaillierten<br />
Betrachtung der diskutierten Themen. Ebenso bei den Kategorien „Argumentum ad hominem“ in Kapitel<br />
8.2 sowie bei den Kategorien „Intentionen“ und „Bezugnahmen“.<br />
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