Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />
8 Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen<br />
miteinander sprechen<br />
Nicht nur die Inklusivität der AkteurInnen und Argumente, Reziprozität und Reflexivität<br />
des Diskurses, sondern auch der Respekt kennzeichnet ein Kriterium der Diskursqualität.<br />
Mit Respekt ist in erster Linie der kommunikative Respekt gemeint, der über die Diskursstruktur<br />
Auskunft zu geben vermag. Dieser stellt nicht alleine auf explizite Äusserungen<br />
der Teilnehmenden ab, sondern zieht gleichermassen ihre gesamten kommunikativen<br />
Handlungen in Betracht. Der kommunikative Respekt ist eine Voraussetzung dafür, dass<br />
die AkteurInnen einander zuhören, was wiederum für die Deliberation von Bedeutung ist,<br />
da ansonsten kein Meinungsaustausch erfolgen kann. Ausserdem setzt der ideale Diskurs<br />
gegenseitigen Respekt voraus, damit sich die Beteiligten als gleichberechtigte und vernünftige<br />
AkteurInnen betrachten, was ebenfalls ein entscheidendes Kriterium ist. Denn die AkteurInnen<br />
sollten bereit sein, sich von den (besseren) Argumenten Anderer überzeugen zu<br />
lassen. Gegenseitiger Respekt kann als Voraussetzung für eine solche Bereitschaft gelten.<br />
Zunächst wird betrachtet, wie respektvoll die Interaktion in den traditionellen elektronischen<br />
Medien ist, indem auf die verschiedenen Formen des Sprecherwechsels eingegangen<br />
wird. In erster Linie interessieren jene Übergänge, die auf den kommunikativen Respekt<br />
respektive auf sein Fehlen hindeuten, nämlich die Wortergreifung durch Unterbrechung<br />
sowie der erfolglose Versuch, andere zu unterbrechen. Danach folgt sowohl für die klassischen<br />
als auch die neuen elektronischen Medien eine Auseinandersetzung über die expliziten<br />
Äusserungen der Teilnehmenden, die als respektverletzendes Verhalten gewertet werden<br />
können. In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass also nicht das Vorkommen<br />
des kommunikativen Respekts, sondern dessen Abwesenheit bzw. die Respektlosigkeit<br />
betrachtet wird.<br />
8.1 Kommunikativer Respekt beim Rollenwechsel<br />
Der ideale Rollenwechsel beschreibt, dass die AkteurInnen sowohl SprecherInnen als auch<br />
HörerInnen sind und zwischen den Rollen wechseln. Die Gesprächsorganisation gibt Hinweise<br />
darauf, wie respektvoll die Interaktion ist. Wie bereits beim Zustandekommen des<br />
Sprecherwechsels erwähnt wurde, ist die Grundeinheit des Gesprächs der turn, also der<br />
Redebeitrag. 161 Die Organisationsgrösse ist der Sprecherwechsel, bei dem der/die ehemalige<br />
HörerIn mindestens einmal die Sprecherrolle übernimmt und gleichzeitig der/die ehemalige<br />
SprecherIn in die Rolle des Hörens wechselt. Aus deliberativer Sichtweise genügt<br />
dieses einmalige Wechseln der Rollen allerdings nicht, wenn der Anspruch erhoben wird,<br />
dass Argumente gegeneinander abgewogen werden sollen. Während zuvor auf die Frage<br />
eingegangen wurde, wie in einem Gespräch das Wort vergeben wird, interessieren nun die<br />
Formen des Sprecherwechsels, in denen das geltende Rederecht entweder akzeptiert <strong>oder</strong><br />
aber missachtet wird. Wie bereits geschildert, gibt es zwei Grundregeln des Gesprächs, an<br />
denen sich die AkteurInnen orientieren können: Es spricht jeweils nur eine Person und<br />
diejenige, die nach einem Redebeitrag als erste das Wort ergreift, hat das Rederecht, also<br />
das Anrecht auf den nächsten Beitrag. Wie lange ein/e SprecherIn das Rederecht behalten<br />
darf, hängt von verschiedenen Faktoren ab. So wird in öffentlichen Diskussionen dieses<br />
Recht anders wahrgenommen als in Parlamentsdebatten <strong>oder</strong> in einem Gespräch mit ExpertInnen.<br />
162 In den dialogischen Formaten von Radio und Fernsehen möchten die Beteiligten<br />
naturgemäss alle sprechen dürfen, gilt es doch, das zuhörende bzw. zuschauende Publi-<br />
161 Vgl. Kapitel 6.1.<br />
162 Linke et al. (2004) bestimmen unter anderem folgende Faktoren: Ort, Zeitpunkt, Öffentlichkeitscharakter<br />
des Gesprächs, Beziehung der GesprächsteilnehmerInnen, Thema des Gesprächs (Linke et al. 2004: S. 303).<br />
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