Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Zwischenfazit: Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander sprechen<br />
6.5 Zwischenfazit: Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander<br />
sprechen<br />
In diesem Teil der Untersuchung wurde der Frage nachgegangen, inwiefern sich die AkteurInnen<br />
in den dialogischen Formaten überhaupt aufeinander beziehen. Schliesslich ist<br />
die wechselseitige Bezugnahme der Sprechenden aufeinander eine zentrale Voraussetzung<br />
für das Zustandekommen eines <strong>Dialog</strong>s. Gehen die Diskursbeteiligten nicht auf die Positionen<br />
und Argumente der Anderen ein, werden verschiedene Meinungen einfach präsentiert,<br />
ohne dass ein Meinungsaustausch stattfindet, dann ist auch die grundlegende Verständigungsorientierung<br />
bedroht, denn Reziprozität bezeichnet „the first progressive level<br />
to the process of understanding“ (Graham / Witschge 2003:185, Hervorhebung v. Verf.).<br />
Von Interesse ist demnach, ob und in welchem Mass die AkteurInnen der Medienarena<br />
aufeinander Bezug nehmen <strong>oder</strong> ob sie die Gelegenheit lediglich zur Darstellung der eigenen<br />
Positionen nutzen. Ausgehend von erkenntnisleitenden Hypothesen richtete sich das<br />
Augenmerk besonders auf den Vergleich zwischen den Mediengattungen Radio und Fernsehen<br />
einerseits und den Online-Foren andererseits sowie innerhalb der klassischen Medien<br />
auf die unterschiedlichen <strong>Dialog</strong>formate. Es konnten jedoch auch Befunde für die<br />
unterschiedliche Diskursqualität bezüglich der verschiedenen Anbieter sowie sprachregionale<br />
Besonderheiten festgestellt werden. Im Folgenden werden die Ergebnisse zusammenfassend<br />
vorgestellt.<br />
Der Vergleich zwischen Radio und Fernsehen sowie den Online-Foren verweist auf wesentliche<br />
Unterschiede zwischen den traditionellen und den neuen elektronischen Medien.<br />
Damit sich die Diskursteilnehmenden überhaupt aufeinander beziehen können, müssen<br />
sie zunächst einmal das Rederecht erhalten. Der Sprecherwechsel, also die wechselseitige<br />
Übernahme der Sprecherrolle, ist somit eine Voraussetzung für das Zustandekommen<br />
eines <strong>Dialog</strong>s und damit interessant für die Bestimmung der Diskursqualität. In diesem<br />
Punkt bestehe ein zentraler Unterschied zwischen den beiden Mediengattungen: In den<br />
klassischen Medien ist es die Aufgabe der Gesprächsleitung, die Verteilung des Rederechts<br />
zu vorzunehmen. Da die M<strong>oder</strong>ation in Online-Foren fehlt, müssen bzw. können die UserInnen<br />
den Sprecherwechsel selbst regulieren. Ein Unterschied zwischen den Mediengattungen<br />
besteht deshalb in der Rollendifferenzierung von Gesprächsteilnahme und Gesprächsführung.<br />
Im Fall der klassischen Medien ist sie personell unterteilt, in den Diskussionsforen<br />
wird sie dagegen zusammengeführt. Dieser konstitutive Unterschied hat Auswirkungen<br />
auf den Sprecherwechsel. Dennoch wird in beiden Mediengattungen insgesamt<br />
das Gespräch von den AkteurInnen in erster Linie eigeninitiativ übernommen. Aufgrund<br />
der fehlenden Rollendifferenzierung fällt die Selbstwahl in den Online-Foren allerdings<br />
deutlich höher aus als in den klassischen Medien. Interessanter dagegen ist die Fremdwahl,<br />
bei welcher der/die augenblickliche SprecherIn vom vorangegangenen Sprecher bzw.<br />
Sprecherin als neue/r RednerIn bestimmt wird.<br />
Im Gegensatz zu den traditionellen elektronischen Medien, bei denen die medialen Rollen<br />
in DiskursübermittlerIn und -teilnehmerIn eingeteilt werden können, verschmelzen beide<br />
Rollenausprägungen in den Online-Foren bis zu einem gewissen Grad. Dadurch ist der<br />
Anteil der Teilnehmendenwahl im Internet gut dreimal höher als in Radio und Fernsehen.<br />
Trotzdem ist der Anteil derer, die sich gegenseitig auffordern ihre Meinung abzugeben,<br />
immer noch relativ gering. Schliesslich ist die Fremdwahl in den Diskussionsforen die einzige<br />
Möglichkeit, den <strong>Dialog</strong> zu forcieren. Da aber viele Teilnehmende nur punktuell in<br />
die Diskussion eingreifen, findet ein Meinungsaustausch bzw. eine vertiefte Auseinandersetzung<br />
der Positionen zwischen denselben Beteiligten nur bedingt statt, was der Diskursqualität<br />
abträglich ist. Die so genannten One-Poster, zu denen über die Hälfte aller UserIn-<br />
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