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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Zwischenfazit: Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />

Hinsichtlich der Personalisierung konnte die Untersuchung zeigen, dass in den dialogischen<br />

Fernsehformaten 1.5-mal häufiger eine Personalisierung stattfindet als in den Radiosendungen,<br />

nämlich in rund einem Zehntel aller Geltungsansprüche. Während diesen Gesprächsphasen<br />

tritt das eigentliche Abstimmungsthema in den Hintergrund, Personenfragen<br />

werden diskutiert bzw. Personen und ihre Argumentationen kommentiert. In den dialogischen<br />

Fernsehformaten wird allerdings nicht nur öfter personalisiert, sondern die GesprächspartnerInnen<br />

werden auch häufiger durch despektierliche Äusserungen herabgesetzt.<br />

Das Gegenüber wird knapp doppelt so häufig beleidigt wie dies in den Radiosendungen<br />

der Fall ist. Das Diskussionsklima in den dialogischen Formaten im Fernsehen ist eindeutig<br />

weniger kooperativ als im Radio, Personenfragen stehen eher im Vordergrund und<br />

die Beteiligten gehen weniger respektvoll miteinander um. Abschliessend kann festgestellt<br />

werden, dass die Gattung insofern Einfluss auf das Kommunikationsverhalten übt, als die<br />

Radio- und Fernsehsender bestimmen, welches <strong>Dialog</strong>format präferiert wird. Es ist hauptsächlich<br />

die Art des Gesprächs – ob zwei <strong>oder</strong> mehrere Personen diskutieren – die Einfluss<br />

auf den kommunikativen Respekt des Gesprächs hat.<br />

Die Sprachregionen bilden eine weitere Unterscheidungsebene. In den traditionellen<br />

elektronischen Medien kann hinsichtlich des Sprecherwechsels festgestellt werden, dass<br />

der Verlauf in der Deutschschweiz etwas kooperativer ist als in der Westschweiz, wo sich<br />

die Beteiligten häufiger unterbrechen. Bezüglich der versuchten Unterbrechungen hat die<br />

Untersuchung gezeigt, dass in der Deutschschweiz in einem Fünftel aller Redebeiträge<br />

versucht wird das Gegenüber zu unterbrechen, in der Westschweiz in über einem Viertel.<br />

Da diese Ergebnisse nicht auf die vorherrschenden Mediengattungen und damit zusammenhängend<br />

auf die vorherrschenden <strong>Dialog</strong>formate zurückgeführt werden kann, muss<br />

angenommen werden, dass in der französischsprachigen Schweiz eine andere Diskurskultur<br />

gepflegt wird als in der Deutschschweiz. Hinsichtlich der gewählten Gegenstrategie zur<br />

Behauptung des Rederechts fallen die Resultate sehr ähnlich aus. In der Deutschschweiz<br />

kommen die stärkeren Formen etwas häufiger zur Anwendung als in der Romandie. Ob<br />

dies auf eine höhere Sensibilisierung auf (versuchte) Unterbrechungen als normwidriges<br />

Verhalten zurückzuführen ist <strong>oder</strong> auf das vorherrschende <strong>Dialog</strong>format kann an dieser<br />

Stelle nicht abschliessend geklärt werden.<br />

Die Unterscheidungsebene Sprachregion zeigt für die klassischen Medien, dass in der<br />

Deutschschweiz Personenfragen eher im Vordergrund der Diskussion stehen als in der<br />

Romandie, nämlich in gut einem Zehntel aller Geltungsansprüche. Ebenfalls finden sich<br />

häufiger beleidigende Äusserungen. Die niedrigeren Werte in der Romandie sind dadurch<br />

erklärbar, dass die analysierten Interviews hauptsächlich in der Westschweiz ausgestrahlt<br />

wurden und damit bei den untersuchten Redebeiträgen stärker gewichtet werden müssen.<br />

Interviews haben jeweils einen niedrigen Personalisierungswert und Anteil an respektlosen<br />

Äusserungen. Anders als im Fall der (versuchten) Unterbrechung scheint sich das <strong>Dialog</strong>format<br />

in Bezug auf diese Kategorie direkt auszuwirken, allerdings hätte die Gewichtung<br />

von Debatten in der jeweiligen Sprachregion deutlichere Unterschiede erwarten lassen.<br />

Das <strong>Dialog</strong>format kann auf Ebene der Sprachregion demnach nur zum Teil als Einflussgrösse<br />

herangezogen werden. Geht man indes von sprachregional unterschiedlichen Diskurskulturen<br />

aus, wobei in der französischsprachigen Schweiz Unterbrechungen aus Sicht<br />

der Teilnehmenden nicht gleichermassen als respektverletzend wahrgenommen werden<br />

wie dies in der deutschsprachigen Schweiz der Fall zu sein scheint, ergibt sich daraus nicht<br />

zwangsläufig ein Widerspruch. Ausgehend von dieser Hypothese ist der Diskurs in der<br />

Westschweiz aus Sicht der RezipientInnen respektvoller.<br />

Im Vergleich zwischen den Sprachregionen zeigt sich für die Online-Foren, dass in der<br />

Deutschschweiz prozentual gesehen je 1.3-mal mehr Personalisierungen und respektlose<br />

Äusserungen vorgenommen werden als in der Romandie. Diese Unterschiede sind mit den<br />

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