Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Zwischenfazit: Thematisierung von Geltungsansprüchen<br />
Gesprächsanteil aus, noch geringer fällt der Anteil an unbegründeter Kritik aus. Die Interviews<br />
unterscheiden sich in genannten Punkten deutlich von den Debatten. Allerdings kann<br />
der hohe Anteil an Interviews nicht als gattungsspezifisches Merkmal gewertet werden, da<br />
sich die Radiosender der beiden Sprachregionen in diesem Punkt deutlich unterscheiden.<br />
In Interviews werden also v.a. begründete Geltungsansprüche erhoben und es wird mehr<br />
begründete als unbegründete Kritik geäussert. Der Anteil an begründeter Kritik ist prozentual<br />
gesehen in den Debatten allerdings etwas höher. Auf dieser Grundlage kann die Hypothese,<br />
dass die Kritik der Geltungsansprüche in Debatten zu Ungunsten der Konsensorientierung<br />
der Teilnehmenden überwiegt und, dass die eigene Begründung von Geltungsansprüchen<br />
weniger ausgeprägt ist als in Interviews, bestätigt werden.Obschon<br />
im Radio deutlich mehr Interviews ausgestrahlt wurden als im Fernsehen, ist im Radio der<br />
Anteil an begründeter Kritik jedoch höher. Aus diesem Ergebnis kann geschlossen werden,<br />
dass der Diskurs in der Mediengattung Radio reflexiver geführt wird.<br />
Bezüglich der Inklusivität der Argumente lassen sich zwischen Fernsehen und Radio keine<br />
markanten Unterschiede feststellen. Das Fernsehen weist zwar einen höheren Anteil an<br />
subjektiven Geltungsansprüchen auf, doch werden diese weniger häufig begründet als im<br />
Radio. Subjektive Geltungsansprüche, die auf eine Thematisierung der persönlichen Erfahrungswelt<br />
hinweisen, sind im Radio und im Fernsehen nahezu gleich stark vertreten. Aus<br />
dieser Perspektive ist die Inklusivität der Argumente für beide Mediengattungen gleich zu<br />
bewerten. Die Ergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass im Fernsehen eine stärkere Personalisierung<br />
der Diskussion stattfindet. Die Inklusivität der Argumente – gemessen an der<br />
thematischen Auseinandersetzung – unterscheidet sich in Radio und Fernsehen ebenfalls<br />
nicht.<br />
Im Vergleich zwischen den Sprachregionen sind einige Besonderheiten feststellbar. Sowohl<br />
in den klassischen Medien als auch in den Online-Foren ist der Diskurs in der<br />
Deutschschweiz kritischer ausgerichtet als in der Romandie. Die Unterschiede sind ziemlich<br />
ausgeprägt, so kritisieren die Gäste in den Radio- und Fernsehsendungen in der<br />
Deutschschweiz die anderen Teilnehmenden in mehr als der Hälfte ihrer Geltungsansprüche,<br />
in der Romandie ist dies nur bei ca. einem Drittel der Fall. Als Grund dafür kann das<br />
<strong>Dialog</strong>format der Sendungen herangezogen werden: In der Deutschschweiz nehmen die<br />
Pro-Contra-Debatten ein stärkeres Gewicht ein als in der Romandie. Wie gezeigt werden<br />
konnte, ist das Mass an geäusserter Kritik in den Interviews geringer. In diesem Punkt<br />
konnte eine Analogie zu den Online-Foren festgestellt werden: In den deutschsprachigen<br />
Online-Foren baz.ch, espace.ch und google.groups.ch zielen rund die Hälfte aller Geltungsansprüche<br />
auf eine Kritik, in den Westschweizer Foren tdg.ch und 24.heures.ch ist<br />
dies im Schnitt nur bei jedem vierten Geltungsanspruch der Fall. Das Ergebnis deutet deshalb<br />
in der Tendenz auf unterschiedliche Gesprächskulturen in den beiden Sprachregionen<br />
hin. Es scheint, dass es den Teilnehmenden in den Diskussionen der Westschweiz eher<br />
darum geht, Sachverhalte und eigene Meinungen darzulegen als das Gesagte zu kritisieren.<br />
Im Vergleich zwischen den Sprachregionen fällt weiter auf, dass der Lebenswelt der AkteurInnen<br />
in den Diskussionen der Romandie eine grössere Bedeutung zukommt. In den<br />
Radio- und Fernsehsendungen werden auf der subjektiven Ebene etwas mehr begründete<br />
Geltungsansprüche geäussert als in der Deutschschweiz. Ob dieses Ergebnis mit dem höheren<br />
Anteil an AkteurInnen aus der Peripherie zusammenhängt, muss an dieser Stelle offen<br />
bleiben. Betrachtet man die Ergebnisse für die Online-Foren, so können sprachregionale<br />
Unterschiede vermutet werden. Die google.groups wurden dabei ausgeklammert, da diese<br />
die Ergebnisse für die Deutschschweiz stark verzerren würden. Wenngleich die subjektive<br />
Perspektive auf die Abstimmungsthematik in den Westschweizer Foren insgesamt ein<br />
leicht geringeres Gewicht einnimmt als in den Deutschschweizer Foren baz.ch und espace.ch,<br />
so werden die subjektiven Geltungsansprüche in der Romandie doch öfters begründet,<br />
d.h. die Erfahrungswelt der Teilnehmenden wird hier stärker in die Diskussion einge-<br />
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