Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander sprechen<br />
unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Mediengattung Einfluss auf die Reziprozität<br />
haben. Des Weiteren hat das <strong>Dialog</strong>format Einfluss auf das Gesprächsverhalten. Insgesamt<br />
stellen die AkteurInnen in Debatten eher einen oberflächlichen Bezug zu einem vorangegangenen<br />
Redebeitrag her als in Interviews. Allerdings ist ein Unterschied zwischen M<strong>oder</strong>ation<br />
und Teilnehmenden zu verzeichnen. Während die M<strong>oder</strong>ation in Interviews eher<br />
auf eine Bezugnahme zu einem vorangegangen Redebeitrag verzichtet, sind es die Teilnehmenden<br />
in Debatten, die rund dreimal häufiger keinen Bezug herstellen.<br />
Im Vergleich mit den Teilnehmenden in den Sendungen der klassischen Medien weisen die<br />
UserInnen der Online-Foren einen knapp zweieinhalb Mal höheren Anteil an Beiträgen<br />
ohne Bezugnahme auf. Dies ist durch die Verschmelzung der Rollen im Internet erklärbar,<br />
dass also die UserInnen Aufgaben der M<strong>oder</strong>ation übernehmen. Die Gesprächsbeteiligten<br />
in den google.groups beziehen sich zumindest oberflächlich eineinhalb Mal häufiger aufeinander<br />
als die Teilnehmenden in Foren der Medienverlagshäuser. Eine plausible Erklärung<br />
dafür ist das höhere Mass an Wechselseitigkeit bzw. die höhere Kontinuität im Verfassen<br />
von Posts in den Diskussionsforen der google.groups. Des Weiteren konnte ein Unterschied<br />
auf sprachregionaler Ebene festgestellt werden. Die UserInnen der Westschweizer<br />
Foren verzichten doppelt so häufig auf eine Bezugnahme wie diejenigen in den<br />
Deutschschweizer Foren. Eine plausible Erklärung dafür sind die strukturellen Vorgaben<br />
der Foren. In der Romandie verfügen die Foren über keine Antwortmöglichkeit und damit<br />
über einen chronologischen Aufbau. Dieser erschwert eine – zumindest oberflächliche –<br />
Bezugnahme. Für die UserInnen ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wenn bspw. zu einem<br />
Aspekt bereits Posts publiziert wurden, können sich demnach auch nicht darauf beziehen<br />
und nehmen daher möglicherweise eine „neue“ Themensetzung erneut vor.<br />
6.3 Argumentative Bezugnahme<br />
Wie einleitend erwähnt, gibt es bei der Bezugnahme auf andere Redebeiträge und Posts<br />
qualitative Unterschiede. 124 Nur weil ein/e SprecherIn auf den Beitrag eines Vorredners /<br />
einer Vorrednerin reagiert, heisst das noch nicht, dass er/sie sich auf die zuvor dargelegte<br />
Positionen <strong>oder</strong> Argumentation bezieht. Ein Diskurs erwirbt aber seinen deliberativen Charakter<br />
erst, wenn ein/e AkteurIn auf die Argumente des Gegenübers eingeht und sich damit<br />
auseinandersetzt. Gerade um festzustellen, was die Teilnehmenden eigentlich im Wesentlichen<br />
sprachlich tun, wurden die Intentionen der Geltungsansprüche erhoben. Damit wird<br />
die inhaltliche Funktion des Gesagten bzw. Geschrieben, also die sprachlichen Handlungsmuster<br />
erfasst. Die Intentionen helfen bei der Bestimmung der qualitativen Unterschiede<br />
der Bezugnahme: Wenn jemand lediglich seine Meinung verlautbaren möchte,<br />
widerspricht <strong>oder</strong> auf seinem Standpunkt beharrt, ist dies für die Diskursqualität anders zu<br />
werten als wenn er auf die Meinung der GesprächspartnerInnen eingeht, die Argumentation<br />
hinterfragt bzw. widerlegt <strong>oder</strong> Fragen zur Präzisierung stellt. Letzteres wird im Folgenden<br />
„echte“ bzw. „argumentative“ Bezugnahme genannt. Zunächst wird ein intermediärer<br />
Vergleich angestellt, um anschliessend die beiden Mediengattungen der traditionellen<br />
und neuen elektronischen Medien einzeln zu betrachten.<br />
Klassische Medien und Online-Foren<br />
Als Erstes interessiert, ob es Unterschiede zwischen den Mediengattungen hinsichtlich der<br />
Qualität der Bezugnahme gibt. Schliesslich steht die Annahme im Raum, dass der Diskursverlauf<br />
in Online-Foren gegenüber Radio und Fernsehen weniger reziprok ist. Die folgende<br />
Grafik zeigt die prozentuale Häufigkeitsverteilung von oberflächlicher, echter und keiner<br />
Bezugnahme.<br />
124 Vgl. dazu Kapitel 6.2.<br />
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