Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Thematisierung von Geltungsansprüchen <strong>oder</strong> wie begründet und worüber die AkteurInnen sprechen<br />
Online-Foren mit 17.7%. In der Online-Diskussion überwiegt zudem die unbegründete<br />
Kritik gegenüber der begründeten Kritik. Dies lässt vermuten, dass auch der Respekt zwischen<br />
den Teilnehmenden weniger ausgeprägt ist als in den klassischen Medien. 147<br />
Wenn im Internet eigene Geltungsansprüche erhoben werden, sind diese ebenfalls in geringerem<br />
Masse begründet als in den klassischen Medien. Zu einem gewissen Teil lässt<br />
sich dieses Ergebnis mit dem Umstand begründen, dass die Teilnehmenden in den Online-<br />
Foren gewisse Funktionen der M<strong>oder</strong>ation übernehmen. So sind es die UserInnen, die die<br />
thematische Ausrichtung bestimmen, einzelne Themen aufgreifen und in die Diskussion<br />
einbringen und zuweilen auch andere TeilnehmerInnen dazu auffordern, sich zu einer bestimmten<br />
Frage zu positionieren. Solche Geltungsansprüche wurden als unbegründetes<br />
Erheben gewertet. Insofern erstaunt es nicht, dass der Wert der erhobenen und nicht begründeten<br />
Geltungsansprüche in den Online-Foren höher ist, als bei den Diskursteilnehmenden<br />
in den klassischen Medien (32.3% bzw. 25.2%). Diese Parallelisierung zwischen<br />
Online-NutzerInnen und M<strong>oder</strong>atorInnen kann beim unbegründeten Kritisieren hingegen<br />
nicht vorgenommen werden: Es gibt keinen funktionalen Grund, weshalb dieser Wert in<br />
den Online-Foren höher sein sollte, als in den klassischen Medien, zumal die M<strong>oder</strong>ation<br />
kaum unbegründete Kritik äusserte. Der hohe Anteil an unbegründeter Kritik ist somit gattungsspezifisch.<br />
Der Diskurs in den klassischen Medien weist folglich, bezogen auf das<br />
Kriterium, inwiefern die Geltungsansprüche begründet werden, eine höhere Qualität auf als<br />
die Diskussion in den Online-Foren.<br />
32.4%<br />
20.2%<br />
25.2%<br />
22.2%<br />
Erheben unbegründet Kritisieren unbegründet<br />
Erheben begründet Kritisieren begründet<br />
Klassische Medien (ohne M<strong>oder</strong>ation) (n = 3003)<br />
21.3%<br />
17.7%<br />
28.6%<br />
32.3%<br />
Erheben unbegründet Kritisieren unbegründet<br />
Erheben begründet Kritisieren begründet<br />
Online-Foren (n = 3725)<br />
Grafik 35: Begründete und unbegründete Geltungsansprüche nach Mediengattung (nur Teilnehmende)<br />
Kurzzusammenfassung: Sowohl im Vergleich zwischen allen AkteurInnen wie auch im<br />
Vergleich ohne die M<strong>oder</strong>ation wird in den Online-Foren mehr unbegründete Kritik vorgebracht<br />
als in den klassischen Medien. Das bedeutet, dass der Meinungsaustausch im Internet<br />
weniger konstruktiv ist als in Radio und Fernsehen, da die Kritik an anderen Aussagen<br />
oftmals nicht rational nachvollziehbar ist und kaum auf eine reflektierte Auseinandersetzung<br />
mit den Argumenten anderer schliessen lässt. Der Diskurs wird in den klassischen<br />
Medien insgesamt begründeter geführt – sofern man die Geltungsansprüche der M<strong>oder</strong>atorInnen<br />
nicht miteinschliesst. Wenngleich die begründete Kritik, d.h. der zuverlässigste<br />
Gradmesser für die Reflexivität des Diskurses, in den klassischen Medien nur wenig ausgeprägter<br />
ist als in den Foren, so legen die Teilnehmenden ihre eigenen Positionen und<br />
Ansichten in den Radio- und Fernsehsendungen doch eher in Form von nachvollziehbaren<br />
Argumenten dar, und begnügen sich weniger mit unbegründeten Behauptungen. Dieses<br />
Verhältnis ist bei den Online-Foren genau umgekehrt.<br />
147 Vgl. dazu Kapitel 8.2, S. 182ff.<br />
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