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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Methodische Umsetzung der Analyse<br />

hinaus weitere Bedeutung zu, indem sie auch dazu dient, die AkteurInnen voneinander<br />

abzugrenzen und es so den RezipientInnen ermöglicht, die TeilnehmerInnen im Diskursfeld<br />

der verschiedenen Positionen zu situieren. Allerdings stellt sich die Frage, ob die AkteurInnen<br />

wirklich auf die Argumente des Gegenübers eingehen <strong>oder</strong> sie als „Schein-<br />

Reflexivität“ nur Erwähnung finden, die eigentliche Aussage dann aber einen anderen,<br />

nicht damit verknüpften Geltungsanspruch in den Vordergrund rückt.<br />

Die Unterscheidung zwischen einer tatsächlichen Bezugnahme und einer Schein-<br />

Bezugnahme erfordert eine verhältnismässig hohe kognitive Leistung, insbesondere wenn<br />

„spontane Sprache“ auf genanntes Kriterium hin codiert werden soll. Um Abweichungen<br />

zu minimieren und bei der Codierung eine gewissen Effizienz zu erreichen, wurde die Kategorie<br />

„Bezugnahme“ zunächst weit gefasst: Pro Redebeitrag bzw. Post wurde ein Bezugnahme<br />

codiert, wenn a) eine argumentative Bezugnahme hergestellt wurde, b) eine thematische<br />

Anknüpfung an zuvor Gesagtes/Geschriebenes erkennbar war <strong>oder</strong> sprachliche Verknüpfungen<br />

hergestellt wurden und c) wenn sich ein (Rede-)beitrag direkt auf andere Gesprächsteilnehmende<br />

bezog, z.B. durch direkte Anrede. Eine offensichtliche Form der Bezugnahme<br />

besteht bei einigen Online-Foren in der Möglichkeit, vorangegangene Diskussionsteile<br />

automatisiert zu zitieren. Zwar muss im Folgenden, d.h. im neuen Text keine weitere<br />

Bezugnahme mehr hergestellt werden, aus Perspektive der RezipientInnen ist jedoch<br />

davon auszugehen, dass in diesen Fällen eine Bezugnahme interpretiert wird. Kam diese<br />

Möglichkeit zur Anwendung, so wurde eine Bezugnahme codiert. Werden die Online-<br />

Beiträge in einer Baumstruktur dargestellt, so wird über die Antwortfunktion ebenfalls eine<br />

Art von Bezugnahme hergestellt, denn die NutzerInnen müssen sich entscheiden, auf wessen<br />

Post sie eine Antwort bzw. Ergänzung verfassen. Stichproben haben ergeben, dass diese<br />

Funktion jedoch nicht in jedem Fall zweckgebunden genutzt wird – einzelne Teilnehmende<br />

„antworten“ scheinbar zufällig auf einen Beitrag, um ihre eigene Sichtweise darzulegen.<br />

Aus diesem Grund ist die dargestellte Strukturierung kein eindeutiger Gradmesser<br />

für eine Bezugnahme und wurde bei der Codierung nicht als solche angesehen.<br />

Die Auswertung der Ergebnisse bestätigt, dass der Kategorie „Bezugnahme“ – wie oben<br />

ausgeführt – zu weit gefasst ist. Daher kommt eine zweite Operationalisierung der Kategorie<br />

zur Anwendung: Unabhängig von der hier vorgestellten Analyseebene wurde für das<br />

gesamte Datenmaterial erhoben, welche kommunikative Handlungsabsicht die Diskursteilnehmenden<br />

mit ihren Geltungsansprüchen verfolgen. In Anlehnung an sprachwissenschaftliche<br />

Forschungsansätze (vgl. Searle 1999; Austin 2003; Sperber, Wilson 2004) wurden<br />

unter der Kategorie „Intentionen“ verschiedene mögliche illokutive Sprechakte der AkteurInnen<br />

unterschieden, 57 wovon einige auf eine argumentative Bezugnahme hindeuten:<br />

Wenn Diskursteilnehmende die Meinung anderer konkret aufgreifen und argumentativ<br />

ausdifferenzieren, wenn sie eine geäusserte Argumentation verbal hinterfragen bzw. zu<br />

widerlegen versuchen <strong>oder</strong> Fragen stellen, die andere dazu auffordern ihre Geltungsansprüche<br />

zu präzisieren, kann von einer vertieften Auseinandersetzung mit der Meinung<br />

anderer ausgegangen werden. Bei Redebeiträgen bzw. Posts, in denen einem <strong>oder</strong> mehreren<br />

Geltungsansprüchen einzelne der obgenannten Intentionen zugeordnet wurden, kann<br />

eine argumentative Auseinandersetzung mit dem zuvor Gesagten bzw. Geschriebenen zugeschrieben<br />

werden, dementsprechend wird eine „echte“ Bezugnahme klassifiziert. Dies<br />

etwa im Gegensatz dazu, wenn die eigene Meinung im Vordergrund steht, anderen DiskursteilnehmerInnen<br />

lediglich widersprochen wird ohne eine Begründung anzuführen <strong>oder</strong><br />

wenn auf bereits geäusserten Geltungsansprüchen beharrt wird.<br />

57 Vgl. Kapitel 3.1 und 3.2 im Anhang.<br />

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