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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Reziprozität <strong>oder</strong> ob die AkteurInnen wirklich miteinander sprechen<br />

Unterkapitel auf den Sprecherwechsel eingegangen, danach wird anhand der verschiedenen<br />

Untersuchungsebenen analysiert, wie stark sich die AkteurInnen aufeinander beziehen.<br />

6.1 Sprecherwechsel <strong>oder</strong> wie das Wort übergeben wird<br />

Der Begriff „idealer Rollenwechsel“ beschreibt, dass die AkteurInnen die Rolle als SprecherIn<br />

sowie als HörerIn einnehmen und zwischen diesen Rollen wechseln. Nehmen sie<br />

nur eine Rolle ein, ist dies ein Indiz dafür, dass der Diskurs systematisch verzerrt ist. In<br />

den massenmedialen Formaten der traditionellen elektronischen Medien sind sowohl der<br />

Diskurs als auch die Rollen bereits zu einem gewissen Grad institutionalisiert (vgl. Clayman,<br />

Heritage 2002). Bei Radio und Fernsehen gehört es zur Aufgabe des/der M<strong>oder</strong>atorIn<br />

dafür zu sorgen, dass es zu keiner Verzerrung des Gesprächs kommt. Im Internet dagegen<br />

hängt es von der Fähigkeit der AkteurInnen ab, den Diskurs selbst zu regulieren. Es kann<br />

nicht davon ausgegangen werden, dass ein/e DiskursteilnehmerIn die Rolle der Diskussionsleitung<br />

übernehmen kann und in dieser Funktion von allen akzeptiert wird. Daher kann<br />

bei diskursiver Dominanz nur versucht werden, mittels Ausgrenzungsstrategien anderen<br />

Teilnehmenden das Kommunikationsrecht abzusprechen. 116<br />

Grundeinheit des Gesprächs ist der Gesprächsschritt, also der Redebeitrag bzw. das Post.<br />

Mit jedem Rede- bzw. Forumsbeitrag kommen die Teilnehmenden der Rolle als SprecherIn<br />

nach, den Gesprächsschritten anderer folgen sie potentiell als HörerInnen. Inwiefern sie<br />

diese Rolle einnehmen, kann ermittelt werden, indem untersucht wird, wie oft sie sich auf<br />

das Gesagte beziehen. Wie stark sich jemand in der Rolle als SprecherIn in die Diskussion<br />

einbringt, kann – wie in Kapitel 5 bereits behandelt – stark differieren.<br />

Der Sprecherwechsel ist eine Voraussetzung für das Zustandekommen eines <strong>Dialog</strong>s. Denn<br />

<strong>Dialog</strong>e, „in denen kein Sprecherwechsel mehr vorkommt, sind eben keine <strong>Dialog</strong>e mehr“<br />

(Schwitalla 1979: 54). Der Sprecherwechsel bezeichnet also das für ein Gespräch konstitutive<br />

Wechseln von der Hörer- in die Sprecherrolle. Er ist damit die „zentrale Schaltstelle<br />

des Gesprächs“ und beantwortet die Frage, wie die GesprächsteilnehmerInnen nacheinander<br />

zu Wort kommen, ohne dass ein verbales Durcheinander entsteht (Linke et al. 2004:<br />

300). Der Sprecherwechsel ist damit charakteristisch für das Gespräch. Dessen verschiedene<br />

Formen lassen Aussagen über die Eigenschaften des Gesprächs zu. Bei einem Interview<br />

ist der Rollenwechsel leichter vorherzusehen als in einer Diskussion, in der einem/r SprecherIn<br />

mehrere HörerInnen gegenüberstehen. Es steht folglich nicht unbedingt immer fest,<br />

wer als nächstes das Wort ergreifen wird. Hier interessiert also die Art, wie dieser Rollenwechsel<br />

zustande kommt; es geht um die Organisationsform des Gesprächs. Zu diesem<br />

Zweck wurde für jeden Redebeitrag bzw. Post erhoben, wie die Sprecherrolle übernommen<br />

worden ist. Es können zwei Fälle unterschieden werden: Der/die augenblickliche SprecherIn<br />

wurde vom/von der vorangegangenen SprecherIn als neue/r RednerIn bestimmt<br />

(Fremdwahl) <strong>oder</strong> der/die aktuelle SprecherIn beginnt den Gesprächsschritt von sich aus,<br />

hat also das Gespräch eigeninitiativ übernommen (Selbstwahl) (vgl. dazu Linke et al. 2004:<br />

301). Bei der Fremdwahl wird bei den klassischen Medien zudem unterschieden, wer das<br />

Wort erteilt hat, die M<strong>oder</strong>ation <strong>oder</strong> ein/e ander/e AkteurIn.<br />

Sprecherwechsel in den klassische Medien<br />

Die Sprechenden können sich an zwei Grundregeln des Gesprächs orientieren: Erstens, es<br />

spricht jeweils nur ein/e GesprächsteilnehmerIn und zweitens, jene Person, die nach einem<br />

Gesprächsbeitrag als erste das Wort ergreift, hat das Anrecht auf den Redebeitrag (vgl.<br />

116 Vgl. Kapitel 5.2 und 8.2, S. 79ff. bzw. 187ff. Wie Davis (1999) aufzeigt, sind solche Ausgrenzungs-<br />

Strategien in Online-Foren durchaus an der Tagesordnung. Sie betreffen indes nicht nur den Disput zwischen<br />

Teilnehmenden mit unterschiedlichen Meinungen, sondern sind ebenso ein Merkmal des Umgangs zwischen<br />

„etablierten“ DiskursteilnehmerInnen und „Neulingen“ (vgl. Davis 1999: 149ff.).<br />

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