Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Zwischenfazit: Thematisierung von Geltungsansprüchen<br />
24heures.ch erreichen gar ähnliche Werte wie sie die privaten Radio- und Fernsehsender<br />
aufweisen. Die Ursache dafür ist nicht unmittelbar zu bestimmen. Ein erster möglicher<br />
Grund könnte in der Struktur der Foren liegen: Bei den Online-Foren der Medienverlagshäuser<br />
wird eine inhaltliche Regulierung, d.h. das Löschen von Posts <strong>oder</strong> der Ausschluss<br />
einzelner NutzerInnen in Aussicht gestellt. Faktisch konnte allerdings keine Regulierung<br />
dieser Art festgestellt werden. Insbesondere im Forum von baz.ch dürfte die Hemmschwelle<br />
für irrelevante <strong>oder</strong> unangebrachte Posts jedoch höher liegen als in anderen Foren, da<br />
sich der Anbieter vorbehält, einzelne Post mit namentlicher Erwähnung in der Printausgabe<br />
zu veröffentlichen. Bei 24heures.ch erfolgt an einer Stelle der Diskussion hingegen ein<br />
kurzer metakommunikativer <strong>Dialog</strong> zwischen Webmaster und Teilnehmenden bezüglich<br />
der Diskursqualität. Die Beschneidung der Nutzungsrechte einzelner Teilnehmenden wurde<br />
seitens Webmaster dabei explizit abgelehnt. Die google.groups sind hingegen ausschliesslich<br />
selbstregulierend. Die Struktur des Forums könnte auch insofern einen Einfluss<br />
haben, als die Möglichkeit, neue Threads zu eröffnen eher dazu verleitet, vom Thema<br />
abzuschweifen. Tdg.ch und 24.heures.ch, die zum Zeitpunkt der Untersuchung rein chronologisch<br />
geführt wurden, weisen wie erwähnt geringe Anteile an themenfremden Beiträgen<br />
auf. Des Weiteren könnte die Art der „Community“ einen Einfluss auf die Qualität der<br />
Diskussion haben, z.B. indem sich Gemeinschaften bilden, die primär an einem Austausch<br />
untereinander interessiert sind und weniger am Austausch über die zur Diskussion stehende<br />
Thematik. Eine weiterführende Untersuchung liesse diesbezüglich Einsichten erwarten.<br />
Die google.groups unterscheiden sich von den Foren der Medienverlagshäuser durch weitere<br />
Merkmale: Betrachtet man die tatsächlich themenrelevanten Anteile der Diskussion<br />
wird deutlich, dass in den google.groups ein stärkeres Gewicht auf die Kritik an anderen<br />
Geltungsansprüchen gelegt wird als in den übrigen Foren. Es werden mehr Geltungsansprüche<br />
kritisiert als erhoben, dieses Verhältnis ist bei den übrigen Foren umgekehrt. In der<br />
Mehrheit kritisieren die UserInnen in den google.groups andere Teilnehmende ohne eine<br />
Begründung anzugeben. Dies ist zwar bei den Foren der Medienverlagshäuser ebenfalls<br />
der Fall, proportional gesehen aber weniger ausgeprägt. Gegenüber den anderen untersuchten<br />
Foren weisen die google.groups im direkten Vergleich zwar mehr begründete Kritik<br />
auf, was für eine reflektierte Auseinandersetzung spricht, das Diskursklima dürfte insgesamt<br />
aufgrund des deutlicheren Übermasses an unbegründeter Kritik für den Meinungsaustausch<br />
jedoch weniger konstruktiv sein.<br />
Wenngleich die sachliche Ebene der themenrelevanten Diskussion bei allen Online-Foren<br />
den Diskurs bestimmt, steht bei den google.groups die subjektive Ebene stärker im Vordergrund<br />
als bei den übrigen Foren. Auffallend dabei ist, dass die subjektiven Geltungsansprüche<br />
lediglich in weniger als einem Fünftel begründet sind. Dieses Ergebnis weist auf<br />
eine starke Personalisierung des Diskurses hin. In den übrigen Foren werden demgegenüber<br />
mehr als die Hälfte aller subjektiven Geltungsansprüche begründet. Daraus kann der<br />
Schluss gezogen werden, dass die Erfahrungswelt der Teilnehmenden hier ein bedeutend<br />
grösseres Gewicht einnimmt als bei den google.groups. Bezogen auf alle Geltungsansprüche<br />
nähert sich das Diskursverhalten der Foren von Medienverlagshäusern in diesem Punkt<br />
jenem in den klassischen Medien an.<br />
Die Inklusivität der Argumente – bezogen auf die Themenvielfalt – ist bei den<br />
google.groups ausgeprägter als bei den übrigen Foren. Dies hängt möglicherweise mit der<br />
Struktur der Foren zusammen, da die Möglichkeit zur Eröffnung neuer Foren durch die<br />
Teilnehmenden Themenwechsel begünstigen könnte. Die Hypothese, dass die Inklusivität<br />
des Diskurses bezogen auf die vorkommenden Argumente bei den Foren von<br />
Google höher ist als bei den Foren von Medienverlagshäusern, kann somit bestätigt<br />
werden.<br />
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