Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Einleitung<br />
Zu den offensichtlichen Mängeln gehört, dass in der Schweiz wie auch auf internationaler<br />
Ebene die Untersuchung von Fernsehformaten vorwiegend mit Nachrichtensendungen<br />
gleichsetzt wird. Untersuchungen zu anderen Formaten, zumal dialogischen, finden sich<br />
kaum, sieht man von dem eher sprachwissenschaftlich orientierten Beitrag von Luginbühl<br />
(1999) zur verbalen Gewalt in der Sendung „Arena“ auf SF DRS ab.<br />
Medieninhalte werden in der Schweiz zwar durchaus untersucht, doch vermehrt aus quantitativer<br />
Perspektive. Dies wird indes spätestens dann problematisch, wenn man eigentlich<br />
qualitativen Fragestellungen nachgeht, was ja gerade bei der Untersuchung der politischen<br />
Kommunikation tendenziell vermehrt der Fall ist. Folglich können die Strukturen und Zusammenhänge<br />
zwischen Politik, Medien und Gesellschaft nur unzureichend aufgedeckt<br />
werden. Die Kardinalfrage nach der medialen Leistung zur Integration einer kulturell so<br />
diversifizierten Gesellschaft wird bislang nur ansatzweise gestellt, geschweige denn umfangreich<br />
untersucht. In der Tat zeichnet sich die Schweizer Forschung u.a. auch dadurch<br />
aus, dass sie Vergleichen zwischen den Sprachregionen ebenso wenig Platz einräumt wie<br />
intermediären Untersuchungen. Die „BürgerInnen als RezipientInnen“ bleiben so weitgehend<br />
ausgeblendet, denn die Analyse der Rolle der Medien bei der Politikvermittlung ist<br />
entweder in zu partikulare Kontexte eingebunden <strong>oder</strong> geht kaum über eine Beschreibung<br />
der Oberflächenstruktur hinaus. Nicht zuletzt fehlt es hier wie auch in der internationalen<br />
Forschung an einem geeigneten Rahmen, in dem die komplexen Zusammenhänge zwischen<br />
Politik, Medien und RezipientInnen verortet werden können. Gerade dadurch eröffnet<br />
sich indes für das vorliegende Forschungsprojekt die Möglichkeit, diejenigen Aspekte<br />
auf theoretischer und empirischer Seite in den Vordergrund zu stellen, die bisher vernachlässigt<br />
worden sind.<br />
1.3 Die Bedeutung dialogischer Formate<br />
Um das Zusammenwirken von AkteurInnen, Medien und RezipientInnen zu untersuchen,<br />
ist es sinnvoll, dialogischen Formaten – wie Diskussionssendungen und Interviews – gegenüber<br />
monologischen – wie etwa Nachrichtensendungen – den Vorzug zu geben. Denn<br />
gerade in Diskussionssendungen wird die öffentliche Auseinandersetzung um Positionen<br />
und Argumente besonders offensichtlich: Meinungen und Standpunkte treffen direkt aufeinander<br />
und eröffnen dem/r RezipientIn so die Möglichkeit, sich innert kurzer Zeit mit<br />
verschiedenen Sichtweisen auseinanderzusetzen und zudem zu verfolgen, wie sich diese<br />
Sichtweisen zueinander verhalten. Wenngleich oft plakativer als etwa Reportagen, so sind<br />
dialogische Formate wegen des präsentierten Meinungsspektrums und der zu erwartenden<br />
Dynamik in der Debatte – v.a. in eher konfrontativen dialogischen Formaten – aus RezipientInnensicht<br />
attraktive Medienangebote. Aus ProduzentInnensicht stellen sie zudem<br />
eine verhältnismässig günstige Möglichkeit dar, politische und gesellschaftliche Aktualität<br />
informativ und ohne festgeschriebene Dramaturgie unterhaltend herzustellen (vgl. Clayman,<br />
Heritage 2002). Und für politische AkteurInnen stellen sie schliesslich Plattformen<br />
dar, auf denen sie sich selbst und ihre Position in direkter Auseinandersetzung mit dem<br />
politischen Gegenüber medienwirksam darstellen können. Aus Forschungsperspektive<br />
schliesslich stellen dialogische Formate im Vergleich zu monologischen Sendungen zudem<br />
einen kaum untersuchten Untersuchungsbereich dar. An der diskursiven Qualität der dialogischen<br />
Auseinandersetzungen kann somit auch ein Teil des Beitrages der Medien zur<br />
Meinungs- und Willensbildung abgelesen werden. Durch den Fokus auf dialogische Formate<br />
lässt sich auch die Rolle der Medien im gesellschaftlichen Diskussions- und Vermittlungsprozess<br />
genauer untersuchen und bewerten, da sie anders als etwa in Reportagen<br />
9