Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />
Inhalt des Gesprächsbeitrags tangiert wird. Bei einer Unterbrechung kann das Gespräch<br />
unterschiedlich weiter verlaufen: (a) Der/die gegenwärtige SprecherIn bricht den eigenen<br />
Gesprächsschritt gleich nach einer Unterbrechung ab, ohne ihn später fortzusetzen. (b)<br />
Spricht der/die gegenwärtige SprecherIn noch eine Zeit lang weiter, so kann es zu zwei<br />
simultanen Gesprächsschritten kommen. Eine weitere Form des Sprecherwechsels ist die<br />
„entschuldigte“ Unterbrechung. Diese Einschränkung wird getroffen, da nicht jede Unterbrechung<br />
als gleich störend empfunden wird bzw. die Diskursregeln verletzt. Wiederum<br />
gibt es verschiedene Varianten dieses Sprecherwechsels: (a) Der/die neue SprecherIn ist<br />
sich seines/ihres „unhöflichen“ Verhaltens bewusst und kündigt bspw. mittels explizit gemachter<br />
Unterbrechung an, dass ein Rollenwechsel gewünscht ist. (b) Aber auch begründete<br />
Unterbrechungen durch M<strong>oder</strong>atorInnen können „entschuldigte“ Unterbrechungen sein:<br />
Es ist angemessen, den/die GesprächspartnerIn zu unterbrechen, wenn diese/r unklare<br />
Ausdrücke verwendet, wenn eine Antwort vom Thema wegführt, wenn mit der Unterbrechung<br />
die Redezeiten eingeschränkt werden <strong>oder</strong> die gesamte Sendezeit zu Ende ist. „Entschuldigte“<br />
Unterbrechungen werden folglich nicht als respektverletzende kommunikative<br />
Handlungen gewertet.<br />
Klassische Medien: M<strong>oder</strong>ation und Gesprächsteilnehmende<br />
Nach der Vorstellung eines idealen Diskurses haben alle an der Diskussion Beteiligten<br />
freien und gleichberechtigten Zugang zum Wort. Diejenige Person, die etwas zur Sache<br />
beitragen kann, also ein Argument vorbringen, eine Schlussfolgerung ziehen <strong>oder</strong> eine<br />
Aussage widerlegen kann, sollte sich um das Redrecht bemühen. In diesem Zusammenhang<br />
interessiert nun, ob sich die AkteurInnen frei am Diskurs beteiligen können. Folgende<br />
Grafik zeigt die verschiedenen Formen des Sprecherwechsels in den klassischen Medien.<br />
prozentuale Häufigkeit<br />
80.00<br />
70.00<br />
60.00<br />
50.00<br />
40.00<br />
30.00<br />
20.00<br />
10.00<br />
0.00<br />
gesamt M<strong>oder</strong>ation Teilnehmende<br />
n = 3839 (n = 1562) (n = 2277)<br />
Grafik 48: Sprecherwechsel nach M<strong>oder</strong>ation und Teilnehmenden<br />
Glatter Sprecherwechsel<br />
durch Unterbrechung<br />
durch "entschuldigte" Unterbrechung<br />
Insgesamt ist der Anteil an Unterbrechungen mit 20.1% relativ hoch, bedenkt man, dass in<br />
den traditionellen elektronischen Medien die M<strong>oder</strong>ation für die Verteilung des Rederechts<br />
zuständig ist und somit eine theoretisch von allen akzeptierte Instanz zugegen ist, die darüber<br />
entscheidet, wer spricht. In Diskussionen ohne M<strong>oder</strong>ation müssten die Teilnehmenden<br />
den Diskurs vollumfänglich selbst regulieren, ein hoher Anteil an Unterbrechungen<br />
wäre daher eher zu erwarten. Das Ergebnis, dass in m<strong>oder</strong>ierten dialogischen Fernseh- und<br />
Radioformaten in einem Fünftel aller Sprecherwechsel einem/r AkteurIn das Rederecht<br />
aberkannt wird bzw. ein Kampf ums Wort ausbricht, deutet auf zweierlei hin: Zum einen<br />
verweist es darauf, dass die Teilnehmenden ein gesteigertes Engagement an der Diskussi-<br />
168