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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Zwischenfazit: Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />

festgestellt werden, dass in knapp drei Viertel aller Rollenwechsel der Übergang glatt verläuft.<br />

Das bedeutet, dass in über einem Viertel aller Sprecherwechsel das Rederecht durch<br />

eine Unterbrechung aberkannt wird und damit die Gesprächsregeln verletzt werden.<br />

Schliesslich ist für eine Unterbrechung – ob „entschuldigt“ <strong>oder</strong> nicht – charakteristisch,<br />

dass eine aktuell sprechende Person in keiner Weise signalisiert hat, dass sie zum Ende<br />

ihres Beitrages gekommen ist und sie von einer anderen Person ungewollt in die Rolle des<br />

Hörens gedrängt wird. Dennoch sind „entschuldigte“, also begründete Unterbrechungen<br />

nicht als respektverletzende kommunikative Handlungen zu werten, da dabei zumindest<br />

die prinzipielle Akzeptanz der Diskursnormen zum Ausdruck kommt. Allerdings machen<br />

sie lediglich einen Drittel aller Interruptionen aus. Der hohe Anteil an der nichtkooperativen<br />

Form des Sprecherwechsels deutet auf eine mangelnde Gesprächsdisziplin –<br />

was u.a. ein Charakteristikum hitziger Debatten ist.<br />

Die versuchte Unterbrechung beschreibt ebenfalls, ob derjenigen Person, die etwas sagt,<br />

das Rederecht zugestanden wird <strong>oder</strong> nicht und gibt Auskunft über das Gesprächsklima. In<br />

den klassischen Medien findet insgesamt in knapp einem Viertel aller Redebeiträge eine<br />

versuchte Unterbrechung statt. Dabei wird dem/r aktuellen SprecherIn ins Wort gefallen<br />

und damit das Rederecht streitig gemacht <strong>oder</strong> er/sie wird durch Zwischenrufe gestört. Je<br />

höher dieser Wert liegt, desto fragmentierter ist der Diskurs. Setzt man nun die Anzahl der<br />

Sprecherwechsel durch Unterbrechung und die Anzahl der versuchten Unterbrechungen in<br />

Bezug zueinander, kann festgehalten werden, dass in den dialogischen Formaten der traditionellen<br />

elektronischen Medien häufig ein Kampf ums Wort ausbricht. In gut der Hälfte<br />

aller Redebeiträge werden die Gesprächsregeln und damit der kommunikative Respekt<br />

verletzt: In einem Viertel der Sprecherwechsel wird durch Unterbrechung der sprechenden<br />

Person das Rederecht aberkannt, in einem weiteren Viertel aller Redebeiträge dem/r aktuellen<br />

SprecherIn das Rederecht streitig gemacht <strong>oder</strong> es wird ihm/ihr durch einen Einwurf<br />

dazwischen geredet.<br />

Nun kann sich ein/e Sprechende/r, dem/der das Rederecht aberkannt werden soll, auf verschiedene<br />

Weise zur Wehr setzen. Die bestimmende Art der AkteurInnen der Medienarena<br />

auf eine versuchte Unterbrechung zu reagieren, ist, dass einfach lauter bzw. weiter gesprochen<br />

wird, was in drei Viertel aller Gegenstrategien der Fall ist. Die am zweithäufigsten<br />

angewandte Gegenstrategie zur Behauptung des Rederechts ist, den von der versuchten<br />

Unterbrechung betroffenen Redeteil zu wiederholen. Sowohl am interessantesten wie auch<br />

am aussagekräftigsten ist jedoch die Thematisierung der Unterbrechung selbst. Diese Gegenstrategie<br />

wird am seltensten gewählt (7.6%). Nichts desto trotz ist die Metakommunikation<br />

ein starkes Indiz dafür, dass es an Respekt mangelt und dass die Einhaltung der Diskursregeln<br />

gewünscht wird. Schliesslich machen die Beteiligten dadurch deutlich, dass<br />

ihnen das Rederecht zusteht und dass sie sich durch die versuchten Unterbrechungen gestört<br />

fühlen. Obwohl es die meisten Sprechenden gewohnt sind, in der Öffentlichkeit zu<br />

diskutieren und damit die allgemein gültigen Gesprächsregeln kennen, werden diese erstaunlich<br />

häufig verletzt. Allen Beteiligten ist bewusst, dass das Rederecht dem/r Sprechenden<br />

für eine gewisse Zeit zustehen muss, damit sachlich relevanten Punkte vorgebracht<br />

werden können. Doch in den dialogischen Radio- und Fernsehformaten wird diese<br />

Mindestanforderung häufig nicht erfüllt.<br />

Eine weitere Unterscheidungsebene ist die ökonomische Stellung der Sender, ob es also<br />

zwischen öffentlichen und privaten Anbietern unterschiedliche Resultate hinsichtlich des<br />

Sprecherwechsels gibt. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die dialogischen Formate der<br />

privaten Anbieter tendenziell einen weniger kooperativen Verlauf aufweisen als diejenigen<br />

der öffentlichen. In Ersteren fallen sich alle Beteiligten, also auch die M<strong>oder</strong>ation, häufiger<br />

gegenseitig ins Wort und übernehmen das Rederecht ohne Einverständnis der/s Sprechenden.<br />

Bei den Privaten findet insgesamt bei knapp einem Viertel aller Sprecherwechsel eine<br />

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