Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH
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Kommunikativer Respekt <strong>oder</strong> wie höflich die AkteurInnen miteinander sprechen<br />
Wie aus oben stehender Tabelle ersichtlich ist, unterbrechen sich die Beteiligten in den<br />
dialogischen Formaten der privaten Anbieter häufiger als dies in den öffentlichen der Fall<br />
ist (25.9% bzw. 17.1%). Nicht nur die M<strong>oder</strong>ation verletzt häufiger die Gesprächsregeln<br />
(18.9% bzw. 15.3%), sondern auch die Teilnehmenden fallen sich häufiger gegenseitig ins<br />
Wort (30.2% bzw. 18.5%). Die Gesprächsdisziplin ist in den dialogischen Formaten der<br />
privaten Anbieter wesentlich tiefer als bei den öffentlichen. Insgesamt wird bei den Privaten<br />
der kommunikative Respekt deutlich häufiger verletzt als bei den öffentlichen. Eine<br />
plausible Erklärung dafür können die <strong>Dialog</strong>formate liefern. Wie im vorangehenden Abschnitt<br />
ausgeführt wurde, weisen die dialogischen Fernsehformate aufgrund des stärkeren<br />
Gewichts der Debatten einen weniger kooperativen Verlauf auf als diejenigen im Radio.<br />
Bei den privaten Anbietern aber machen die Fernsehsendungen über drei Fünftel der untersuchten<br />
Sendungen aus, bei den öffentlichen lediglich einen Viertel. Ebenso ist der Anteil<br />
an Redebeiträgen, die in Debatten geäussert wurden, bei den privaten Anbietern höher als<br />
bei den öffentlichen (91.7% vs. 80.3%). Dieser Unterschied liefert eine plausible Erklärung<br />
dafür, dass bei den Privaten ein weniger respektvolles Diskussionsklima herrscht.<br />
Klassische Medien: Sprachregionen<br />
Wie bereits festgestellt wurde, haben die Mediengattungen Radio und Fernsehen bzw. das<br />
<strong>Dialog</strong>format Einfluss auf den kommunikativen Respekt. Es wäre daher plausibel, dass<br />
sich dies auch auf der Unterscheidungsebene der Sprachregionen niederschlägt. Schliesslich<br />
sind von den untersuchten Sendungen in der Deutschschweiz 68.4% Fernsehformate,<br />
in der Romandie lediglich 21.1%. Entsprechend sind auch die Anteile an Redebeiträgen<br />
aus Interviews bzw. Debatten nicht gleich verteilt, wenngleich sich die beiden Sprachregionen<br />
diesbezüglich annähern (Redebeiträge aus Debatten in der Deutschschweiz 93.9%<br />
und 77.8% in der Westschweiz).<br />
Sprecherwechsel: Übergang Deutschschweiz Westschweiz<br />
Glatter Sprecherwechsel 75.6% 71.8%<br />
durch Unterbrechung 18.7% 21.1%<br />
durch „entschuldigte“ Unterbrechung<br />
5.7% 7.1%<br />
n = 1549 n = 2290<br />
Tabelle 23: Sprecherwechsel in den klassischen Medien nach Sprachregion<br />
Wie der Tabelle entnommen werden kann, ist der Verlauf in der Westschweiz etwas weniger<br />
kooperativ als in der Deutschschweiz. Die Annahme, dass sich die Resultate von Radio<br />
und Fernsehen bzw. die Ergebnisse für die jeweils vorherrschenden <strong>Dialog</strong>formate in den<br />
Sprachregionen niederschlagen, bestätigt sich indes nicht. Obschon in der Deutschschweiz<br />
die Debatten stärker ins Gewicht fallen und in diesen der Diskurs weniger respektvoll ist,<br />
ist der Anteil an Interruptionen in der Westschweiz leicht höher. Daraus kann gefolgert<br />
werden, dass die Diskurskultur sprachregional unterschiedlich ist. Die M<strong>oder</strong>ation weist in<br />
beiden Landesteilen ähnlich viele Interruptionen auf. Die Teilnehmenden allerdings unterbrechen<br />
sich in der Romandie häufiger als in der Deutschschweiz (24.6% bzw. 19.9% ohne<br />
„entschuldigte“ Unterbrechung).<br />
Kurzzusammenfassung: Insgesamt kann festgestellt werden, dass in den klassischen Medien<br />
in knapp drei Viertel aller Rollenwechsel der Übergang glatt verläuft. Das bedeutet,<br />
dass in über einem Viertel aller Sprecherwechsel eine Verletzung der Gesprächsregeln<br />
stattfindet. Schliesslich ist für eine Unterbrechung – ob entschuldigt <strong>oder</strong> nicht – charakteristisch,<br />
dass eine aktuell sprechende Person in keiner Weise signalisiert hat, dass sie zum<br />
Ende ihres Beitrages gekommen ist und ihr von einer anderen Person das Rederecht abgenommen<br />
wird. Dennoch sind „entschuldigte“, also begründete Unterbrechungen nicht als<br />
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