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Stimmengewirr oder Dialog? - Bakom - CH

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Fazit: <strong>Stimmengewirr</strong> <strong>oder</strong> <strong>Dialog</strong>?<br />

bringt dieses Ergebnis zwei Implikationen mit sich: Erstens ist die Wahrscheinlichkeit in<br />

einer solchen Kommunikationssituation höher, dass ein Prozess der politischen Meinungs-<br />

und Willensbildung, in dem der zwanglose Zwang des besseren Arguments überwiegt,<br />

tatsächlich stattfindet. Zweitens begünstigt eine solche Ausgangslage eine diskursive Auseinandersetzung,<br />

in der Argumentationen bzw. deren Plausibilität im Vordergrund stehen<br />

und weniger das Unterstützen <strong>oder</strong> Schwächen einer bestimmten Position. Diese Annahmen<br />

können insofern empirisch gestützt werden, als in den Online-Foren zwar in geringem<br />

Masse aber dennoch häufiger als in den klassischen Medien Kritik an Teilnehmenden mit<br />

der gleichen Einstellung zum Abstimmungsgegenstand geübt wird. Solches Gesprächsverhalten<br />

zielt auf die Infragestellung der Argumentation <strong>oder</strong> allenfalls der Person, nicht aber<br />

einzig und allein auf die Position zur Abstimmungsvorlage. Gleiches gilt für die kritische<br />

Auseinandersetzung zwischen Personen, deren Abstimmungsabsicht gar nicht bekannt ist.<br />

Die Akteursstruktur in den Online-Foren verweist diesbezüglich auf ein deliberatives Potential,<br />

das für die klassischen Medien nicht gegeben ist: Es ist nicht zu erwarten, dass in<br />

den Sendungen von Radio und Fernsehen vermehrt nicht-positionierte AkteurInnen zu<br />

Wort kommen.<br />

Auf der interaktiven Ebene stellt sich daran anschliessend die Frage, inwiefern die AkteurInnen<br />

den <strong>Dialog</strong> mit anderen überhaupt suchen und wie stark sie aufeinander eingehen.<br />

Diesbezüglich gilt es zunächst die strukturellen Unterschiede zwischen der Kommunikation<br />

in den klassischen Medien und den Online-Foren herauszustellen: Erstens ist die Dauer<br />

der Diskussion in Radio und Fernsehen durch die gegebene Programmstruktur stark eingeschränkt.<br />

Die Online-Foren nähern sich diesbezüglich der (hypothetischen) deliberativen<br />

Idealvorstellung, in der die Diskussion so lange fortgeführt wird, bis ein von allen Beteiligten<br />

getragener Konsens erreicht wird. In den Online-Foren können sich alle Teilnehmenden<br />

so oft und so lange zu Wort melden, wie es ihnen behagt. Die Foren werden in der<br />

Regel durch die Betreiber erst geschlossen, wenn die Beteiligung stark nachlässt. Zweitens<br />

entscheiden die UserInnen in den Online-Foren selber, wann sie sich in die Diskussion<br />

einschalten und, zumindest in den strukturierten Foren, an welche Aussage sie anschliessen<br />

möchten. Auch steht es ihnen jederzeit frei, andere Personen dazu aufzufordern, eine Replik<br />

zu verfassen. Das Rederecht ist in den klassischen Medien fundamental anders organisiert.<br />

Hier ist es in erster Linie die M<strong>oder</strong>ation, die die Gesprächsführung übernimmt und<br />

die Gesprächsteilnehmenden dazu anhält, zu gestellten Fragen <strong>oder</strong> Äusserungen Stellung<br />

zu nehmen. Insbesondere wenn mehrere Personen am Diskurs beteiligt sind, sieht die<br />

Funktion der M<strong>oder</strong>ation zudem vor, das Rederecht einzelner Personen zu beschneiden,<br />

um einerseits zu gewährleisten, dass andere Positionen <strong>oder</strong> Akteursgruppen ausgeglichen<br />

zu Wort kommen und andererseits, die vorgesehene Sendedauer einhalten zu können. Diese<br />

konstitutiven Unterschiede bilden den Hintergrund, vor dem die unterschiedlichen Ergebnisse<br />

bezüglich der Reziprozität des Diskurses gelesen werden müssen.<br />

In den klassischen Medien erhalten die Teilnehmenden das Wort in über der Hälfte aller<br />

Sprecherwechsel durch die M<strong>oder</strong>ation, die somit als Dreh- und Angelpunkt der Diskussion<br />

angesehen werden kann. Am zweithäufigsten schalten sich die Teilnehmenden ohne<br />

explizite Aufforderung in die Diskussion ein, indem sie etwa kurze Gesprächspausen nutzen,<br />

um in der Folge ihre Sichtweise einbringen. Dieses Gesprächsverhalten ist in den Debatten<br />

ausgeprägter als in Interviews, in denen klar ist, dass die M<strong>oder</strong>ation nach Beendigung<br />

des eigenen Gesprächsschritts das Wort wieder an den/die Teilnehmende übergibt.<br />

Ein sehr viel grösseres Gewicht nimmt die eigeninitiative Beteiligung am Diskurs jedoch<br />

in den Online-Foren ein, was aufgrund genannter Kommunikationsstrukturen nicht erstaunt.<br />

Für den intermediären Vergleich sind daher insbesondere jene Sprecherwechsel von<br />

Bedeutung, in denen sich die Teilnehmenden gegenseitig dazu auffordern, einen Beitrag an<br />

die Diskussion zu leisten und damit den Meinungsaustausch aktiv fördern. Dies ist in den<br />

Online-Foren umso dringender angezeigt, als hier keine Gesprächsleitung vorbestimmt ist.<br />

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