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PIANO MUSIC - Abeille Musique

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Die gesamten Liszt-Klavierwerke<br />

EINLEITUNG<br />

Eines der besten kleinen Bücher über Musik, das mich stets inspiriert hat, ist<br />

Beethoven: his Spiritual Development von J. W. N. Sullivan, in dem der Autor die sich<br />

entwickelnde Spiritualität in Beethovens Musik hin zu seinem allmählichen Akzeptieren<br />

und dann zur Fügung seines Schicksals nachzeichnet. Ich wünschte, dass Herr Sullivan<br />

ein solches Buch auch über Liszt geschrieben hätte. Ein wichtiger Unterschied zwischen<br />

diesen beiden Komponisten ist jedoch, dass Beethoven das hohe Alter nicht erreichte.<br />

In der Musik des alten Liszt geschieht etwas, das sich gleichzeitig einen Schritt nach vorn<br />

und einen Schritt nach hinten bewegt. Egal wie viele Barrieren Beethoven in seinem<br />

Streichquartett in cis-Moll oder in der Missa solemnis hinwegfegt—was Beethoven in<br />

diesen Werken präsentiert, ist so solide wie ein Fels; wenn man einmal begriffen hat,<br />

was der Tenor seines Gedankens ist, ist daran nichts Unbeständiges festzustellen. Oft<br />

erwischen seine Ideen einen, wenn man es nicht erwartet und sicherlich muss das für<br />

die Menschen, die seine Werke erstmals hörten, immer wieder erschreckend gewesen<br />

sein. Doch erscheinen sie als Teil einer musikalischen Sprache, die als solche auch in<br />

seinem restlichen Oeuvre identifizierbar ist. Der alte Liszt jedoch bricht aus den<br />

vorgefertigten Formen immer wieder aus. Was das Klavier angeht, so war der Höhepunkt<br />

seiner musikalischen Botschaft sicherlich die Sonate, und diesen Punkt erreichte er<br />

bereits recht früh in seinem Leben. Was seine Orchesterwerke anbelangt, so ist es die<br />

Faust-Symphonie. Und insgesamt gesehen muss es das Oratorium Christus sein, das<br />

gegen Ende des Jahres 1867 fertiggestellt wurde—in seinen letzten achtzehn Jahren<br />

komponierte er kein wirklich umfangreiches Werk mehr. Er schrieb mehrere Suiten, die<br />

größere Anlagen andeuten, jedoch nichts, was dem Ausmaß dieser drei Meisterwerke<br />

gleichkäme. Es scheint, als hätte Liszt die Fragen, die er sich gestellt hatte, beantwortet.<br />

In seinen Spätwerken stellt er sich Fragen, die er nicht beantworten kann—die auch kein<br />

anderer beantworten kann—so dass die Stücke sich in einer trostlosen Stille verlieren,<br />

die Tonalität verschwindet, der Rhythmus mehrdeutig und die Harmonie unnötig wird. Es<br />

scheint, dass die tröstlichen Worte, die man zu Zeiten größter Ungewissheit hört und sagt,<br />

hier keine Geltung haben und man kann spüren, dass Liszt, der zwar immer noch ein<br />

glühender Christ war, auch voller Zweifel und zweifellos einsam war: ein Mann, der den<br />

Großteil seines Lebens in der Gesellschaft von vielen Anhängern verbracht hatte, dem nun<br />

jedoch nicht ein guter Freund geblieben war.<br />

Liszt zu lernen, war und ist eine lebenslange Erfahrung. Auf der Suche<br />

nach Repertoire, das sowohl musikalisch als auch pianistisch eine Herausforderung<br />

bedeutete, lernte ich ihn erstmals kennen. Natürlich hatte ich eine ganze Reihe der<br />

berühmtesten Werke Liszts von Anfang an gehört—ich erinnere mich daran, dass ich Les<br />

préludes schon als kleines Kind kannte, und ich kann mich nicht daran erinnern, einige<br />

der Rhapsodien nicht gekannt zu haben—doch bevor meine Hände ausgewachsen waren,<br />

ließ sich nicht viel machen, was das Spielen von Liszts Werken anging. Das sollte sich<br />

ändern, als ich 13 Jahre alt war, und nachdem mich die alte Horowitz-Aufnahme der<br />

Sonate, die ich im Radio gehört hatte, geradezu verzaubert hatte, machte ich mich voller<br />

Eifer ans Werk und lernte die Sonate, die Transzendentalen Etüden und ein Dutzend<br />

andere Stücke, neben einigen der berühmten Transkriptionen, wie etwa von Schumanns<br />

Widmung und Mendelssohns Auf Flügeln des Gesanges. Zudem war ich der Organist der<br />

Pfarrkirche und eignete mir die „Ad nos“ Fantasie und Fuge an. Dann hörte ich die Faust-<br />

Symphonie zum ersten Mal und begriff, dass dies nicht nur die Musik eines meiner<br />

Lieblingskomponisten war, sondern ein Meisterstück eines meisterlichen Musikers.<br />

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