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PIANO MUSIC - Abeille Musique

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Musiker jedoch weitaus distinguierter war als Herzog<br />

Ernst. Wie dem auch sei, ist Liszts Stück immer als<br />

Originalwerk anstatt als Transkription katalogisiert<br />

worden, so sehr hat er die ursprünglichen melodischen<br />

Ideen in eine neue Konzeption umgewoben. (Die Gelegenheit<br />

soll hier genutzt werden, einen Schnitzer in der<br />

Anmerkung zur revidierten Version dieses Werkes in Vol. 4<br />

zu korrigieren. Prinz Louis wurde auf dem Schlachtfeld<br />

getötet und hatte nie geheiratet. Die Prinzessin, die Liszt<br />

die Schriften mit Louis’ Werken übergab, war nicht seine<br />

Frau, sondern mit seinem Neffen, der den Adelstitel<br />

übernommen hatte, verheiratet.)<br />

Otto Lessmann (1848–1918) war zu seiner Zeit als<br />

Journalist, Theaterdirektor und Produzent besser bekannt<br />

als als Komponist und schrieb wahrscheinlich die drei<br />

Tannhäuser-Lieder für eine Dramaproduktion des<br />

Stückes von Julius Wolff. Das erste—Der Lenz ist<br />

gekommen—ist ein typisches Frühlingslied, einfach und<br />

in Strophen, das Liszt auf bekannte Weise als Melodie und<br />

Variantionen behandelte. Er verlängerte jedoch am Ende<br />

jeder Strophe das Ritornello, und die sich wiederspiegelnde<br />

Koda ist ein echter später Liszt. Es ist schade,<br />

daß Lessmanns Musik zum Trinklied, wenn auch von<br />

theatralischem Humor nur so gespickt, nicht genauso<br />

unterhaltsam ist wie das Gedicht, das ernsthaft allem<br />

Flüssigen, rot oder weiß, gewidmet ist, alles Trockene als<br />

Pestilenz bezeichnet und darüber grübelt, wie der Alkohol<br />

in gleichen Teilen Liebes- und Haßgefühle verstärkt. Liszt<br />

entwickelt eine mittlere Passage (die eine gewisse verblüffende<br />

Vorausahnung von Graingers Country Gardens<br />

[Landgärten] vermittelt), die für das Stück zu ungelenk<br />

ist, um auch nur die geringsten Möglichkeiten eines<br />

Wiederauflebens zu bergen. Du schaust mich an—die<br />

Geliebte sieht den Dichter mit unausgesprochenen Fragen<br />

an—ist ein ansprechendes Liebeslied, das sich wunderbar<br />

als Zugabe für einen Liederabend eignet. Liszts<br />

Transkription entfacht ein Feuer, das die heftige Romantik<br />

seiner mittleren Jahre wieder aufleben läßt.<br />

Die Uraufführung des letzten Stückes in diesem<br />

Konzert geschah unter dem Titel: „Le célèbre Zigeuner-<br />

Polka de Conradi pour le piano par F. Liszt“ und enthält<br />

eine orchestrale Version (Conradis ursprüngliche) und<br />

eine vereinfachte Klavierversion (nicht von Liszt). Der<br />

Gedanke, daß irgendein musikalisches Werk August<br />

Conradis (1821–1873) „célèbre“ wird, erscheint einem<br />

heute ein wenig sonderbar, aber Conradi, der eine Zeitlang<br />

als Liszts Musik- und Privatsekretär arbeitete und einige<br />

Orchestrationen von Liszt unter deren Anweisung ausführte,<br />

war zu seiner Zeit ein fleißiger und erfolgreicher<br />

Komponist, besonders mit seinen leichteren orchestralen<br />

Werken—obwohl er Opern, Sinfonien und viel andere<br />

seriöse Musik schrieb, die heute allerdings in eine gewisse<br />

Vergessenheit geraten ist. Er schrieb die Zigeuner-Polka<br />

1843, und es war schon ein beliebtes Stück, bevor Liszt es<br />

umschrieb. Von der Einführung und Koda sowie ein oder<br />

zwei Transitionen abgesehen, unternimmt Liszt in seiner<br />

Version keinen Versuch, die von Conradi gebildete Struktur<br />

zu verbessern, die praktisch nur aus Aneinanderreihungen<br />

kurzer Tanzmelodien ohne Reprisen besteht.<br />

Wie zu erwarten ist, werden die Ungarismen von Liszt in<br />

seinen zugefügten Passagen, die um einiges weniger brav<br />

sind als Conradis behagliche, bodenständige Melodien,<br />

noch deutlicher herausgearbeitet.<br />

LESLIE HOWARD © 1996<br />

Übersetzung UTE MANSFELDT<br />

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