Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
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gen (Kap. 5.3.1). Dieser durchaus relevante Flächenbedarf<br />
würde sich dadurch relativieren, dass die auf<br />
Biomasse basierenden Produkte nach ihrer Nutzung<br />
einer energetischen Verwertung zugeführt werden<br />
können (Kaskadennutzung). Dabei ist allerdings zu<br />
berücksichtigen, dass es bei der Produktion, bei der<br />
Nutzung in offenen oder halboffenen Anwendungen<br />
(z. B. Waschmittel) sowie bei Sammeln <strong>und</strong> Recycling<br />
zu Energieverlusten kommt.<br />
5.3.4<br />
Perspektiven der stofflichen Produktion ohne Öl,<br />
Gas <strong>und</strong> Kohle<br />
Bereits heute werden Rohstoffe wie Fasern, technische<br />
Öle u. a. ausschließlich oder teilweise durch<br />
Anbau von Pflanzen gewonnen. Allerdings werden<br />
die mengenmäßig wichtigen Produkte (wie z. B. die<br />
Kunststoffe) überwiegend aus Erdöl hergestellt. Bei<br />
einem kompletten Ausstieg aus fossilen Energieträgern<br />
müssten auch diese Produkte aus Biomasse<br />
hergestellt werden. Langfristig wird sich die stoffliche<br />
Produktion damit komplett anders als heute darstellen:<br />
• Ein gezielter Anbau von Pflanzen sollte dazu führen,<br />
dass soweit wie möglich Rohstoffe produziert<br />
werden können, die bereits einen hohen natürlichen<br />
Veredelungsgrad aufweisen, wie z. B. die so<br />
genannten Naturstoffe (Arzneimittel, Duftstoffe,<br />
Seifenrohstoffe usw.).<br />
• Der Großteil der Rohstoffe sollte in Bio-<br />
„Raffinerien“ (z. B. in Lignozellulose-Bioraffinerien)<br />
erzeugt werden, wobei ähnlich wie heute in<br />
der Petrochemie einige typische Gr<strong>und</strong>stoffe synthetisiert<br />
werden könnten, aus denen sich „Stammbäume“<br />
von weiter verarbeiteten Rohstoffen bzw.<br />
Chemikalien biogenen Ursprungs ergeben würden<br />
(TAB, 2007; IFEU, 2007). Wesentliche Gr<strong>und</strong>stoffe<br />
würden sich von Kohlehydraten bzw. Lignozellulose<br />
ableiten. Die Produktion könnte, aber<br />
müsste nicht, mit der von Biokraftstoffen gekoppelt<br />
sein.<br />
• Wie im Energiebereich müsste auch im stofflichen<br />
Bereich auf Effizienz geachtet werden. Produktdesign<br />
<strong>und</strong> Abfallwirtschaft müssen stark<br />
umgestellt werden, so dass sich ohne hohen Aufwand<br />
zur Sammlung <strong>und</strong> Aufbereitung der Produkte<br />
hohe stoffliche <strong>und</strong> energetische Verwertungsquoten<br />
ergeben.<br />
Nutzungskonkurrenz zur biologischen Vielfalt 5.4<br />
5.4<br />
Nutzungskonkurrenz zur biologischen Vielfalt<br />
Die biologische Vielfalt der Erde ist in der Krise: die<br />
heutige Aussterberate der Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten ist<br />
100–1.000mal größer als im Mittel der Erdgeschichte<br />
<strong>und</strong> wird sich weiter erhöhen (MA, 2005a). Durch<br />
den Verlust der biologischen Vielfalt sind wichtige<br />
Ökosystemleistungen gefährdet (z. B. Küstenschutz,<br />
Wasserhaushalt, Bestäubung, usw.; MA, 2005e).<br />
Außerdem gehen mit dem Aussterben von Tier-<br />
<strong>und</strong> Pflanzenarten ihre genetischen <strong>und</strong> physiologischen<br />
Baupläne irreversibel verloren, die für künftige<br />
Entwicklungsoptionen von großem Wert sein<br />
können, z. B. die Weiterentwicklung der Nutzpflanzen<br />
oder die Medizinforschung (WBGU, 2000; Chivian<br />
<strong>und</strong> Bernstein, 2008). Biodiversität ist aus diesen<br />
Gründen als ein Schlüsselelement für <strong>nachhaltige</strong><br />
Entwicklung anerkannt (WEHAB-Framework<br />
des WSSD; WEHAB Working Group, 2002). Die<br />
Weltgemeinschaft hat sich im Rahmen der Biodiversitätskonvention<br />
(CBD, 2002b) <strong>und</strong> auf dem Weltgipfel<br />
für Nachhaltige Entwicklung (WSSD, 2002) darauf<br />
geeinigt, bis 2010 einen signifikanten Rückgang<br />
der Verlustrate der biologischen Vielfalt zu erreichen<br />
(Kap. 3 <strong>und</strong> 10.5). Allerdings deutet vieles darauf hin,<br />
dass dieses Ziel verfehlt wird (MA, 2005a): Von den<br />
15 Indikatoren, die von der Biodiversitätskonvention<br />
verwendet werden, um die Erreichung des 2010-Ziels<br />
zu beurteilen, zeigen 12 Indikatoren einen ungebrochenen<br />
Abwärtstrend. Nur ein Indikator zeigt nach<br />
oben, nämlich die Fläche der ausgewiesenen Schutzgebiete<br />
(CBD, 2006a; Kasten 5.4-1).<br />
Der wichtigste Gr<strong>und</strong> für die aktuelle globale<br />
Krise der biologischen Vielfalt ist der Habitatverlust<br />
durch die land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich motivierte<br />
Konversion natürlicher <strong>und</strong> naturnaher Ökosysteme<br />
(Kap. 4.2.3) sowie durch die intensive Nutzung dieser<br />
Produktionssysteme. Mit dem Anbau von Energiepflanzen<br />
kommt ein zusätzlicher <strong>Landnutzung</strong>styp<br />
hinzu, wodurch sich die Konkurrenz um nutzbares<br />
Land verschärfen kann. Die zunehmende Konkurrenz<br />
um Land, <strong>und</strong> damit die Gefahr, biologische<br />
Vielfalt zusätzlich erheblich zu reduzieren (UNEP,<br />
2007a), hat vor allem zwei Dimensionen: Die Konversion<br />
natürlicher Ökosysteme sowie die Intensivierung<br />
der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft auf bestehenden<br />
Flächen. Konversion natürlicher Ökosysteme kann<br />
auch indirekt stattfinden, wenn der Anbau von Energiepflanzen<br />
die dort bislang stattgef<strong>und</strong>ene <strong>Landnutzung</strong><br />
verdrängt. Diese muss auf andere Flächen ausweichen,<br />
was dazu führen kann, das hierfür natürliche<br />
Ökosysteme konvertiert werden (Searchinger et al.,<br />
2008). Diese indirekten Verdrängungseffekte haben<br />
häufig eine internationale Dimension: Eine Ausweitung<br />
des Anbaus von Energiepflanzen auf Ackerflä-<br />
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