Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
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32 3 Anforderungen an die Nachhaltigkeit von <strong>Bioenergie</strong><br />
von Stickstoffdüngung <strong>und</strong> CO 2 -Emissionen etwa<br />
durch Umbruch von Grünland mit sich bringt.<br />
3.2<br />
Sozioökonomische Nachhaltigkeit<br />
3.2.1<br />
Leitplanke zur Sicherung des Zugangs zu<br />
ausreichend Nahrung<br />
Zugang zu Nahrung für alle Menschen<br />
Der Ausbau der <strong>Bioenergie</strong>nutzung kann sich auf die<br />
Nahrungsproduktion <strong>und</strong> besonders ineinkommensschwachen Entwicklungsländern, die Nettoimporteure<br />
von Nahrungsmitteln sind (Low-Income Food-<br />
Deficit Countries, LIFDC) negativauf die Ernährungssicherheit<br />
auswirken, weil Landflächen, Wasserressourcen<br />
<strong>und</strong> landwirtschaftliche Betriebsmittel<br />
(z. B. Maschinen, Düngemittel, Saatgut, Futtermittel,<br />
Treibstoffe) der Nahrungsmittelproduktion zugunsten<br />
des Energiepflanzenanbaus entzogen werden.<br />
Die Sicherung der Welternährung muss aus Sicht des<br />
WBGU Vorrang vor allen anderen Nutzungsformen<br />
der zur Bewirtschaftung geeigneten globalen Landflächen<br />
haben. <strong>Bioenergie</strong> ist durch andere Energieträger<br />
substituierbar, Nahrungsmittel sind dies aber<br />
nicht. In der FAO-Definition bedeutet Ernährungssicherheit,<br />
dass alle Menschen zu jeder Zeit ungehinderten<br />
physischen, sozialen <strong>und</strong> ökonomischen<br />
Zugang zu ausreichender <strong>und</strong> ausgewogener Ernährung<br />
haben sollen, um ein aktives <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>es<br />
Leben zu führen (FAO, 2008b). Dementsprechend<br />
schlägt der WBGU hier als Leitplanke vor, dass für<br />
Kasten 3.2-1<br />
Exkurs: Kalorienbedarf eines Menschen<br />
In der Vorbereitung des Welternährungsgipfels 1996 gab es<br />
intensive Diskussionen um Mindestwerte der Kalorienverfügbarkeit.<br />
Der ursprüngliche Plan, die Verfügbarkeit von<br />
2.700 kcal pro Person <strong>und</strong> Tag (entsprechend etwa 11,3 MJ<br />
pro Person <strong>und</strong> Tag) als Ziel zu formulieren, wurde aufgegeben,<br />
da eine durchschnittliche Pro-Kopf-Kalorienversorgung<br />
die Ungleichheiten in der Versorgung innerhalb eines<br />
Landes verdeckt <strong>und</strong> zur Nahrungsqualität keine Aussage<br />
macht. Dennoch ist eine Operationalisierung einer „Ernährungsleitplanke“<br />
ohne einen solchen Wert kaum möglich.<br />
Der Energiebedarf eines Menschen setzt sich aus dem<br />
Basisenergieverbrauch (Gr<strong>und</strong>umsatz, abhängig von Alter,<br />
Geschlecht <strong>und</strong> Gewicht), der körperlichen Aktivität sowie<br />
den persönlichen Lebensumständen zusammen (Schwangerschaft,<br />
Stillzeit; FAO, 2004). Die körperliche Aktivität<br />
hat einen erheblichen Anteil am Energieverbrauch des<br />
alle Menschen Zugang zu ausreichend Nahrung gesichert<br />
sein soll.<br />
Notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung<br />
dafür ist, dass genügend Nahrung produziert<br />
wird, um den Kalorienbedarf aller Menschen zu<br />
decken. Für die Operationalisierung der Leitplanke<br />
lässt sich daraus schließen, dass global mindestens<br />
so viel landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung<br />
stehen muss, um für alle Menschen eine durchschnittliche<br />
Kalorienversorgung von 2.700 kcal pro Person<br />
<strong>und</strong> Tag (entsprechend etwa 11,3 MJ pro Person <strong>und</strong><br />
Tag) zu ermöglichen (Kasten 3.2-1). Nach Angaben<br />
der FAO (2003b) liegt die globale Nahrungsmittelproduktion<br />
derzeit bei ca. 2.800 kcal pro Person <strong>und</strong><br />
Tag (Beese, 2004). Global gesehen wird derzeit also<br />
genügend Nahrungsenergie erzeugt, so dass Hunger<br />
<strong>und</strong> Unterernährung primär ein Zugangs- bzw. Verteilungsproblem<br />
darstellen.<br />
Abhängigkeit des Flächenbedarfs von<br />
Ernährungsweise <strong>und</strong> Flächenproduktivität<br />
Wesentlich für die Höhe der Potenziale zur Versorgung<br />
der Weltbevölkerung mit ausreichender <strong>und</strong><br />
ausgewogener Nahrung sind die Ernährungsgewohnheiten<br />
der Menschen sowie die Flächenproduktivität.<br />
So hängt das Ernährungspotenzial der vorhandenen<br />
Agrarflächen wesentlich von der Nutzungsform<br />
ab. Beispielsweise wird der größte Teil der Maisernte<br />
in Nordamerika <strong>und</strong> Europa an Tiere verfüttert.<br />
Der Mais liefert also nur auf dem Umweg über die<br />
Fleisch- <strong>und</strong> Milchproduktion Nahrung für den Menschen.<br />
Bei dieser „Veredelung“ geht ein Großteil der<br />
ursprünglich im Mais vorhanden Nahrungskalorien<br />
verloren. Bereits heute wird etwa ein Drittel der<br />
Weltgetreideernte als Futtermittel eingesetzt. Insgesamt<br />
muss die globale Nahrungsproduktion bis 2030<br />
Menschen <strong>und</strong> wird als Physical Activity Level (PAL)<br />
gemessen. Die üblichen PAL-Werte erstrecken sich von<br />
1,2 für ausschließlich sitzende Lebensweise bis zu 2,4 für<br />
Schwerstarbeiter (DGE, 2007). Die Richtwerte für die<br />
durchschnittlich erforderliche Energiezufuhr liegen bei<br />
Männern bzw. Frauen im Alter von 19–25 Jahren bei 3.000<br />
bzw. 2.400 kcal pro Person <strong>und</strong> Tag. Bei schwerer körperlicher<br />
Arbeit kann dieser Wert für einen Mann knapp 4.000<br />
kcal pro Person <strong>und</strong> Tag erreichen. Für Männer bzw. Frauen<br />
im Alter von 25–51 Jahren liegen die Richtwerte für die<br />
durchschnittliche Energiezufuhr bei 2.900 bzw. 2.300 kcal<br />
pro Person <strong>und</strong> Tag <strong>und</strong> für Männer bzw. Frauen im Alter<br />
von 51–65 Jahren bei 2.500 bzw. 2.000 kcal pro Person <strong>und</strong><br />
Tag (DGE, 2007).<br />
In Industrieländern beträgt die tatsächliche durchschnittliche<br />
Kalorienzufuhr ca. 3.400 kcal pro Person <strong>und</strong><br />
Tag, in vielen Entwicklungsländern liegt dieser Wert bei<br />
unter 2.000 kcal pro Person <strong>und</strong> Tag (Äthiopien liegt mit<br />
ca. 1.600 kcal pro Person <strong>und</strong> Tag am unteren Ende; Meade<br />
<strong>und</strong> Rosen, 1997; FAO, 2006a).