14.04.2013 Aufrufe

Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

zogenen Herstellungsmethoden unterscheiden, die<br />

Gleichartigkeit im Sinne von Art. III:4 GATT gegeben<br />

ist (Hilf <strong>und</strong> Oeter, 2005). Dies hat zur Folge,<br />

dass die staatlich unterstützte Setzung von Umwelt-<br />

<strong>und</strong>/oder Sozialstandards <strong>und</strong> deren Umsetzungskontrolle<br />

durch Zertifizierungssysteme mit dem<br />

Gebot der Inländergleichbehandlung in Konflikt<br />

gerät. Dies gilt auch für andere unilaterale Maßnahmen,<br />

die bestimmte Produkte wegen ihrer Produktionsart<br />

einer ungünstigeren Behandlung unterwerfen,<br />

wie es etwa im Rahmen einer entsprechenden Förderpolitik<br />

der Fall wäre.<br />

Wird die Einfuhr von Produkten – wie etwa Biokraftstoffen<br />

– verboten oder beschränkt, weil sie<br />

bestimmten Standards nicht genügen, so ergibt sich<br />

außerdem ein Konflikt mit Art. XI GATT. Eine<br />

Unvereinbarkeit mit Art. I GATT resultiert schließlich,<br />

wenn darüber hinaus erwogen wird, lediglich<br />

<strong>Bioenergie</strong> aus bestimmten Produktionsländern –<br />

etwa weil diese keine allgemeinen Herstellungsstandards<br />

kennen – zum Import zuzulassen. Zusammenfassend<br />

droht somit bei staatlich unterstützten Maßnahmen<br />

zur Gewährleistung <strong>nachhaltige</strong>r Produktion<br />

von <strong>Bioenergie</strong> je nach konkreter Ausgestaltung in<br />

dreierlei Hinsicht eine Verletzung relevanter Gebote<br />

des WTO-Rechts. Allerdings kommt in allen Fällen<br />

eine Rechtfertigung für die Setzung von Nachhaltigkeitsstandards<br />

in Betracht.<br />

10.3.4.2<br />

Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen<br />

Die verschiedenen Abkommen sehen Ausnahmeklauseln<br />

vor, die gerade im Bereich des Umweltschutzes<br />

zur Anwendung gelangen können <strong>und</strong><br />

gegebenenfalls einen Verstoß gegen die Regeln des<br />

GATT (<strong>und</strong> gegebenenfalls auch ergänzender WTO-<br />

Abkommen) rechtfertigen. So stellt sich insbesondere<br />

die Frage, ob ein durch die Setzung von Nachhaltigkeitsstandards<br />

(<strong>und</strong> deren Durchsetzung durch<br />

Zertifizierungs- <strong>und</strong> Kennzeichnungssysteme) anzunehmender<br />

Verstoß gegen Art. III:4 GATT oder ein<br />

Verstoß gegen Art. XI GATT gestützt auf die Klauseln<br />

des Art. XX GATT gerechtfertigt sein kann.<br />

Ansätze zur Rechtfertigung<br />

umweltpolitisch motivierter Maßnahmen<br />

In diesem Zusammenhang ist zunächst auf umweltpolitisch<br />

motivierte Standards einzugehen. Art. XX<br />

GATT sieht Ausnahmen für Maßnahmen zum Schutz<br />

des Lebens <strong>und</strong> der Ges<strong>und</strong>heit von Menschen, Tieren<br />

<strong>und</strong> Pflanzen (Bst. b) sowie für Maßnahmen zur<br />

Erhaltung erschöpflicher Naturschätze (Bst. g) vor.<br />

Zwar ist somit die Umwelt als solche nicht im Katalog<br />

der geschützten Rechtsgüter enthalten, doch bieten<br />

Standards für die Produktion von <strong>Bioenergie</strong>trägern 10.3<br />

die genannten Bst. b <strong>und</strong> g durchaus Raum zu deren<br />

Berücksichtigung (Epiney, 2000; Epiney <strong>und</strong> Scheyli,<br />

2000; Hilf <strong>und</strong> Oeter, 2005). Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ist<br />

heute weitgehend anerkannt, dass auch das „allgemeine“<br />

Anliegen des Umweltschutzes nach diesen<br />

Bestimmungen Ausnahmen rechtfertigen kann.<br />

Auch wenn die genaue Auslegung <strong>und</strong> Anwendung<br />

des Art. XX GATT bis heute umstritten ist,<br />

kann gestützt auf die Spruchpraxis der WTO-Streitbeilegungsorgane<br />

davon ausgegangen werden, dass<br />

auch rein prozessbezogene Handelsmaßnahmen –<br />

<strong>und</strong> insofern auch die Standardsetzung <strong>und</strong> deren<br />

Umsetzungskontrolle durch Zertifizierungssysteme<br />

– gr<strong>und</strong>sätzlich in den Schutzbereich von Art. XX<br />

GATT fallen (Hilf <strong>und</strong> Oeter, 2005; in diese Richtung<br />

auch Droege, 2001). Insbesondere stellte der<br />

Appellate Body im Fall „US-Shrimp“ (1998), bei<br />

dem es um die Gefährdung von Meeresschildkröten<br />

durch den Fang von Garnelen ging, klar, dass die<br />

Produktionsmethode als Unterscheidungskriterium<br />

durchaus zulässig sein kann, soweit die Produktionsweise<br />

eine bestimmte Tierart gefährdet. Es sei nämlich<br />

kein Gr<strong>und</strong> ersichtlich, weshalb nicht produktbezogene<br />

Handelsmaßnahmen von vornherein als<br />

WTO-rechtswidrig zu betrachten seien (Althammer<br />

et al., 2001; Droege, 2001; Puth, 2003). Darüber hinaus<br />

wurde in diesem Fall außerdem klargestellt, dass<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich auch solche Maßnahmen einer Rechtfertigung<br />

zugänglich sind, die Schutzgüter außerhalb<br />

des Territoriums derjenigen Staaten betreffen, die<br />

die umweltpolitische Maßnahme verfolgen (sog. extraterritoriale<br />

Anwendung des Art. XX GATT).<br />

Im Hinblick auf einen möglichen Streitfall betreffend<br />

die WTO-Konformität von produktionsbezogenen<br />

Umweltstandards für importierte Produkte<br />

liegt eine potenzielle Schwierigkeit darin, dass die<br />

Beweislast in Bezug auf das Vorhandensein der Ausnahmekriterien<br />

auf Seiten des Staats liegt, der auf die<br />

Rechtfertigung eines Verstoßes gegen die Welthandelsprinzipien<br />

pocht. Zur Verteidigung einer Diskriminierung<br />

im Sinne von Art. III:4 GATT durch ökologisch<br />

motivierte Nachhaltigkeitsstandards müsste<br />

der betreffende Staat somit belegen können, dass<br />

keine andere, weniger einschneidende Maßnahme<br />

möglich ist, um das umweltpolitische Ziel zu erreichen<br />

(Gr<strong>und</strong>satz der Verhältnismäßigkeit). Außerdem<br />

ist das Vorhandensein einer objektiven Gefährdungslage<br />

zu belegen (vergleiche zum einschlägigen<br />

Prüfungsprogramm zuletzt den Bericht des WTO-<br />

Panels „Brazil – Measures Affecting Imports of Retreaded<br />

Tyres“ aus dem Jahr 2007; Qin, 2007).<br />

Die Rechtfertigung eines Verstoßes gegen die einschlägigen<br />

Gebote des WTO-Rechts lässt sich gestützt<br />

auf die Art. XX GATT am überzeugendsten begründen,<br />

wenn aus einem multilateralen Übereinkommen<br />

hervorgeht, dass ein internationaler Konsens<br />

259

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!