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Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

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Arbeitsplätze zu sichern (DBV, 2004). Diese Begründungszusammenhänge<br />

spielen sowohl in den USA als<br />

auch in der Europäischen Union eine wichtige Rolle,<br />

da so nicht zuletzt neue bzw. fortgesetzte Agrarsubventionen<br />

legitimiert werden können (Koplow, 2007;<br />

Kutas et al., 2007).<br />

Auch viele Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländer<br />

sprechen sich für Ausbau <strong>und</strong> Förderung einer spezialisierten<br />

Energielandwirtschaft aus. Die vielfach agrarisch<br />

geprägten Länder betonen vor allem die nationalen<br />

Entwicklungschancen, die sich aus Beschäftigungseffekten<br />

in der Landwirtschaft <strong>und</strong> den möglichen<br />

Wachstumspotenzialen einer export orientierten<br />

Produktion von Energiepflanzen <strong>und</strong> Biokraftstoffen<br />

ergeben (Lula da Silva, 2007). Es wird argumentiert,<br />

dass sich aus naturräumlichen Bedingungen,<br />

regionalem Klima, der Verfügbarkeit von land- <strong>und</strong><br />

forstwirtschaftlichen Flächen sowie durch niedrige<br />

Lohnkosten komparative Kostenvorteile auf dem<br />

Weltmarkt ergeben, was globale Absatzmöglichkeiten<br />

bis hin zu gezielten Handelspartnerschaften mit<br />

nachfragenden Industrieländern ermöglichen würde<br />

(Mildner <strong>und</strong> Zilla, 2007; Mathews, 2007). So setzen<br />

vor allem die großen Agrarproduzenten unter<br />

den Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländern wie Brasilien,<br />

Indonesien, Malaysia, Südafrika oder Argentinien<br />

große Hoffnungen in einen sich entwickelnden<br />

Weltmarkt für Biokraftstoffe. Auch wenn dieser<br />

Entwicklungsdiskurs in jüngster Vergangenheit<br />

aufgr<strong>und</strong> möglicher sozialer <strong>und</strong> ökologischer Folgen<br />

(Stichworte: „Teller statt Tank“, „Tortilla-Aufstände“,<br />

„Abholzung des Regenwaldes“ usw.) in die<br />

Defensive gedrängt wurde, spielt das Argument um<br />

neue Entwicklungschancen durch <strong>Bioenergie</strong> nach<br />

wie vor eine große Rolle.<br />

Jenseits dieser vor allem volkswirtschaftlichen<br />

Erwägungen sehen überdies multinationale Unternehmen<br />

erhebliche Geschäftspotenziale in den<br />

Bereichen der Agrochemie <strong>und</strong> der Pflanzenbiotechnologie<br />

(Bayer CropScience, 2006; Economist,<br />

2008a). Das führt zu teilweise deckungsgleichen Interessen<br />

zwischen agrarpolitischen <strong>und</strong> energiepolitischen<br />

Akteuren <strong>und</strong> stärkt die Präsenz <strong>und</strong> Durchsetzungskraft<br />

dieses Diskurses.<br />

In der Zusammenschau finden sich zwischen den<br />

einzelnen Diskursen <strong>und</strong> den Interessen der sie tragenden<br />

Akteure vielfältige Überschneidungen. Häufig<br />

wird suggeriert, dass <strong>Bioenergie</strong> als solche – ohne<br />

weiter zu differenzieren – gleichzeitig positive Wirkungen<br />

in einer Reihe von Problemfeldern entfalten<br />

könnte („win-win-win“). Wechselwirkungen,<br />

Zielkonflikte <strong>und</strong> Risiken werden, teils aus Unwissenheit,<br />

teils aus strategischem Kalkül ausgeblendet.<br />

Unterschiedliche Interessengruppen konkurrieren<br />

darum, das Thema <strong>Bioenergie</strong> zu besetzen <strong>und</strong> ihren<br />

<strong>Bioenergie</strong> im Kontext <strong>nachhaltige</strong>r globaler Energie- <strong>und</strong> <strong>Landnutzung</strong>ssysteme 2.2<br />

Einfluss auf einschlägige politische Entscheidungsprozesse<br />

geltend zu machen.<br />

Auffällig ist, dass in der öffentlichen Debatte um<br />

alternative Energien noch immer kaum zwischen<br />

unterschiedlichen Produktions- <strong>und</strong> Nutzungsformen<br />

von <strong>Bioenergie</strong> unterschieden wird. Vor allem<br />

werden flüssige Biokraftstoffe häufig mit <strong>Bioenergie</strong><br />

allgemein gleichgesetzt. Noch viel weniger wird<br />

zwischen dem Einsatz in gr<strong>und</strong>sätzlich unterschiedlichen<br />

Energiesektoren wie Strom, Wärme <strong>und</strong> Transport<br />

differenziert. Dies zeigt sich auch an der bisherigen<br />

engen Ausrichtung der <strong>Bioenergie</strong>politik auf<br />

den Verkehrssektor <strong>und</strong> auf Flüssigkraftstoffe. Bisher<br />

ungekannte Allianzen unterschiedlicher Interessengruppen<br />

wie etwa von Automobilindustrie <strong>und</strong><br />

Umweltschützern oder von Interessenvertretern der<br />

Landwirtschaft <strong>und</strong> Energieunternehmen konnten<br />

ihren Positionen besonderen Nachdruck verleihen.<br />

Entsprechend erschien eine Politik für die Förderung<br />

von <strong>Bioenergie</strong> eine für alle Beteiligten lohnende<br />

Strategie. Ob aber gegenwärtig tatsächlich eine sinnvolle<br />

<strong>und</strong> effektive <strong>Bioenergie</strong>politik im Sinne einer<br />

kohärenten Förderung von Klimaschutz <strong>und</strong> Energieversorgung<br />

bei gleichzeitiger Berücksichtigung<br />

der Prinzipien <strong>nachhaltige</strong>r Entwicklung betrieben<br />

wird, ist eine offene Frage.<br />

2.2<br />

<strong>Bioenergie</strong> im Kontext <strong>nachhaltige</strong>r globaler<br />

Energie- <strong>und</strong> <strong>Landnutzung</strong>ssysteme<br />

<strong>Bioenergie</strong> ist, gemessen an ihren vielfachen Wechselwirkungen,<br />

die komplexeste aller bekannten<br />

erneuerbaren Energieformen. Ebenso wie der potenzielle<br />

Nutzen der <strong>Bioenergie</strong> scheint auch das Risiko<br />

weitreichender Fehlentwicklungen hoch. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> ist es umso dringlicher, die Frage nach einer<br />

global <strong>nachhaltige</strong>n Nutzung der <strong>Bioenergie</strong> zu stellen:<br />

Was sollte eine energetische Nutzung von Biomasse<br />

leisten, was kann sie leisten <strong>und</strong> wo liegen ihre<br />

Risiken <strong>und</strong> Grenzen?<br />

Zunächst einmal ist <strong>Bioenergie</strong> eine Energieform.<br />

Wie der WBGU bereits in früheren Gutachten<br />

gezeigt hat, ist eine globale Energiewende zur Nachhaltigkeit<br />

unerlässlich, um die natürlichen Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />

der Menschheit zu schützen <strong>und</strong> die<br />

Energiearmut in Entwicklungsländern zu beseitigen<br />

(WBGU, 2003a). Eine verstärkte Nutzung der <strong>Bioenergie</strong><br />

muss sich daher daran messen lassen, ob <strong>und</strong><br />

wie weit sie zu einer solchen globalen Energiewende<br />

in Richtung Nachhaltigkeit beiträgt.<br />

Ein <strong>nachhaltige</strong>s Energiesystem muss in eine allgemein<br />

<strong>nachhaltige</strong> Entwicklung eingebettet sein,<br />

damit die Nutzung der <strong>Bioenergie</strong> nicht zu Lasten<br />

anderer Nachhaltigkeitsdimensionen geht. Auch ist<br />

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