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Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

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214 8 Optimale Einbindung <strong>und</strong> Nutzung der <strong>Bioenergie</strong> in Energiesystemen<br />

Kasten 8.2-3<br />

Entwicklungschancen der <strong>Bioenergie</strong>produktion<br />

für den überregionalen Binnenmarkt <strong>und</strong> den<br />

Export<br />

Inwieweit eine großflächige Versorgung mit biogenen<br />

Energieträgern im eigenen Land volkswirtschaftlich viel<br />

versprechend <strong>und</strong> nachhaltig sein kann, wird kontrovers<br />

diskutiert (Peskett et al., 2007). Für eine gesamtwirtschaftlich<br />

bedeutende Umstellung auf moderne <strong>Bioenergie</strong><br />

sprechen die Diversifizierung von Energiequellen <strong>und</strong><br />

-technologien <strong>und</strong> eine geringere Abhängigkeit von den<br />

Preisschwankungen auf dem internationalen Ölmarkt. Das<br />

ist besonders für ölimportierende Entwicklungsländer von<br />

Bedeutung (Kojima <strong>und</strong> Johnson, 2005). Viele Schwellen-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsländer haben sich daher Ziele für die<br />

Produktion <strong>und</strong> den Einsatz von <strong>Bioenergie</strong> gesetzt oder<br />

planen dies. Beispiele sind China, Indien, Südafrika <strong>und</strong><br />

zahlreiche Entwicklungsländer in Südostasien, West- <strong>und</strong><br />

Ostafrika sowie Südamerika (Kap. 4.1.2). Brasilien ist es<br />

u. a. durch den Ausbau der Bioethanolproduktion gelungen,<br />

von Ölimporten weitestgehend unabhängig zu werden<br />

(Kasten 8.2-4; Luhnow <strong>und</strong> Samor, 2006).<br />

Auch durch den Export biogener Energieträger versprechen<br />

sich viele Länder Entwicklungschancen (UNCTAD,<br />

2006b). Häufig haben Entwicklungsländer im Vergleich zu<br />

Industrieländern komparative Kostenvorteile bei der Produktion<br />

von Agrargütern <strong>und</strong> folglich auch von Energiepflanzen.<br />

Der Export schafft Deviseneinnahmen, erzeugt<br />

Einkommen <strong>und</strong> generiert mittel- oder unmittelbare Staatseinnahmen.<br />

Auf diesen Wegen wird das Wirtschaftswachstum<br />

gefördert. Voraussetzung für den erfolgreichen Export<br />

biogener Energieträger ist, dass der Zugang zu den Märkten<br />

potenzieller Importländer gegeben ist, d. h. dass diese<br />

weder erhebliche Importbeschränkungen vorsehen, noch<br />

dass diese die komparativen Kostennachteile ihrer Produzenten<br />

durch (Agrar-)Subventionen staatlich ausgleichen<br />

oder gar umzukehren versuchen (Worldwatch Insti tute,<br />

2006). Würden solche Subventionen in den Industrieländern<br />

gestrichen <strong>und</strong> stiege die Nachfrage nach Biokraftstoffen<br />

der 1. Generation, wäre allgemein mit steigenden<br />

Agrarpreisen zu rechnen. Dadurch stiegen national <strong>und</strong><br />

international die Produktionsanreize für Landwirte in den<br />

Entwicklungsländern <strong>und</strong> ihre Einkommen (Kap. 5.2.5.2);<br />

beides wäre ein für Entwicklungsländer günstiger Effekt.<br />

Es zeigt sich jedoch bisher, dass Biokraftstoffe auch in<br />

Entwicklungsländern selten wettbewerbsfähig sind. Bei den<br />

meisten Biokraftstoffprogrammen sind hohe Subventionen<br />

notwendig (Kap. 4.1.2). Bislang hat sich nur in Brasilien eine<br />

marktreife Ethanolindustrie entwickelt, <strong>und</strong> dazu bedurfte<br />

es 20 Jahre staatlicher Unterstützung (Kasten 8.2-4; Kojima<br />

<strong>und</strong> Johnson, 2005). Es ist gr<strong>und</strong>sätzlich fraglich, ob der<br />

Einsatz öffentlicher Mittel für die großskalige <strong>Bioenergie</strong>erzeugung<br />

volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist oder ob die<br />

Haushaltsmittel nicht besser für andere Zwecke wie beispielsweise<br />

Bildung, Ges<strong>und</strong>heit, Armutsbekämpfung oder<br />

den Ausbau von Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden<br />

sollten. Hinzu kommt, dass bisher die Nutznießer der<br />

durch Steuergelder subventionierten Produktion von Biokraftstoffen<br />

meistens große landwirtschaftliche Betriebe<br />

sind <strong>und</strong> die Armut der ländlichen Bevölkerung dadurch<br />

kaum gelindert wird. Geht man allerdings davon aus, dass<br />

die technologische Entwicklung voranschreitet, der Ölpreis<br />

tendenziell steigt sowie die Beimischungsquoten aufrechterhalten<br />

<strong>und</strong> vermehrt implementiert werden, dann wird<br />

die Produktion von Biokraftstoffen auf Basis auch anderer<br />

Ausgangsstoffe als Zuckerrohr in weiteren Ländern mit<br />

hoher Wahrscheinlichkeit betriebswirtschaftlich rentabel<br />

(de La Torre Ugarte, 2006).<br />

Weil Landwirtschaft in Entwicklungsländern heute<br />

noch sehr arbeitsintensiv ist, schaffen die Produktion von<br />

pflanzlichen Rohstoffen, ihr Transport <strong>und</strong> die Weiterverarbeitung<br />

Arbeitsplätze, wenn auch teils nur saisonal, <strong>und</strong><br />

generieren Einkommen (Kojima <strong>und</strong> Johnson, 2005). Von<br />

der zur Produktion, Transport <strong>und</strong> Weiterverarbeitung<br />

erforderlichen Infrastruktur sind weitere positive Entwicklungseffekte<br />

zu erwarten. Um solche positiven Auswirkungen<br />

auch für den ländlichen Raum zu realisieren, wird u. a.<br />

von NRO häufig argumentiert, dass vor allem die kleinskalige<br />

bzw. kooperative Produktion gefördert werden muss,<br />

um die Nachteile der großskaligen Produktion von cash<br />

crops zu vermeiden.<br />

Es zeigt sich allerdings, dass der pauschale Vorwurf, dass<br />

die großskalige Cash-crop-Produktion unausweichlich zu<br />

sehr schlechten Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> zur Ausbeutung<br />

von Arbeitskräften führt, nicht haltbar ist. In der brasilianischen<br />

Provinz São Paulo erhielten Zuckerrohrschneider<br />

z. B. bereits in den frühen 1990er Jahren etwa 140 US-$<br />

Lohn pro Monat. Ihre Löhne lagen damit höher als die von<br />

86 % aller Arbeiter in der Landwirtschaft <strong>und</strong> höher als die<br />

von 46 % aller Industriearbeiter (UNCTAD, 2006b).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Vorteile der Massenproduktion sowohl<br />

beim Anbau von Agrargütern als auch gerade bei der Weiterverarbeitung<br />

ist anzunehmen, dass sowohl inländische<br />

als auch ausländische Investitionen eher in großskalige<br />

Projekte fließen. Daher werden weitere Konzentrationsprozesse<br />

in der Agrarwirtschaft <strong>und</strong> der Landverteilung<br />

zugunsten einheimischer Eliten <strong>und</strong> (transnationaler)<br />

Großunternehmen sowie nicht <strong>nachhaltige</strong> Monokulturen<br />

befürchtet (ABN, 2007; Biofuelwatch et al., 2007). Diese<br />

Konzentration scheint besonders korruptionsanfällig <strong>und</strong><br />

kann mit der Ausbeutung von Kleinbauern als Vertragsproduzenten,<br />

ihrer Vertreibung bei ungesicherten Landrechten,<br />

Gewalt, steigenden Landpreisen <strong>und</strong> Umweltschäden<br />

durch großflächige Rodungen einhergehen (Kojima<br />

<strong>und</strong> Johnson, 2005; Misereor, 2007). Um die Teilhabe von<br />

Kleinbauern <strong>und</strong> Kleinbetrieben am <strong>Bioenergie</strong>boom zu<br />

sichern, können beispielsweise Kooperativen <strong>und</strong> spezifische<br />

Förderprogramme geeignete Maßnahmen sein. So<br />

hat beispielsweise Brasilien ein Biodieselprogramm, das<br />

sich speziell an Kleinbauern richtet: Um ein so genanntes<br />

Sozial siegel <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Steuererleichterungen<br />

zu erhalten, müssen die Produzenten von Biodiesel<br />

einen Teil der Rohstoffe aus der familiären Landwirtschaft<br />

beziehen. Bislang läuft das Programm nicht ganz so erfolgreich<br />

wie erhofft, da Biodiesel vor allem aus Soja hergestellt<br />

wird, dessen Anbau in der Hand großer Produzenten liegt.<br />

Befürworter sehen darin jedoch lediglich Anfangsschwierigkeiten<br />

(Fatheuer, 2007).<br />

Damit die großskalige <strong>Bioenergie</strong>produktion nachhaltig<br />

<strong>und</strong> für breite Bevölkerungsschichten entwicklungsfördernd<br />

wirkt, sind neben der spezifischen Ausgestaltung der<br />

<strong>Bioenergie</strong>politik funktionsfähige öffentliche Institutionen<br />

<strong>und</strong> eine gute Regierungsführung notwendig. Dazu zählen<br />

vor allem effektive Verwaltungs- <strong>und</strong> Rechtstrukturen, die<br />

Gewährung von Rechtssicherheit <strong>und</strong> Vermeidung von<br />

Korruption, gerechte <strong>und</strong> gesicherte Verteilung von Verfügungs-<br />

<strong>und</strong> besonders von Landrechten, faire Partizipationsmöglichkeiten<br />

einschließlich wirtschaftlicher Rechte<br />

sowie wirksame Arbeitnehmerschutzvorschriften <strong>und</strong><br />

Umweltschutzvorgaben.

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