Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
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Es tritt somit ein Zielkonflikt zwischen der Förderung<br />
des Handels mit Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern<br />
<strong>und</strong> der Forderung nach Nachhaltigkeitsstandards<br />
auf. So basiert beispielsweise das Volkseinkommen<br />
in zwei Dritteln der LDCs zu 30–60 %<br />
auf dem Agrarsektor. Auf die Europäische Union<br />
entfällt – bezogen auf die Exporte der LDCs nach<br />
Japan, den USA, Kanada <strong>und</strong> die EU – ein Anteil<br />
von 70 % der Agrarexporte. Damit stellt die EU-27<br />
einen bedeutenden Absatzmarkt für diese Länder<br />
dar (EU-Kommission, 2008b). Das Einsetzen von<br />
Nachhaltigkeitsstandards ohne entsprechende technische<br />
<strong>und</strong> finanzielle Kooperationsangebote würde<br />
für diese Länder eine unverhältnismäßig hohe Bürde<br />
bedeuten (Grote, 2002) <strong>und</strong> der entwicklungspolitischen<br />
Gr<strong>und</strong>motivation für die Zollbefreiung dieser<br />
Länder zuwiderlaufen.<br />
Dieser Zielkonflikt könnte so gelöst werden, dass<br />
kleinen <strong>und</strong> mittleren Unternehmen in Entwicklungs-<br />
<strong>und</strong> Schwellenländern Unterstützung bei der<br />
Umsetzung der Standards angeboten wird. Insbesondere<br />
die LDCs, denen die EU derzeit unter der<br />
„Alles-außer-Waffen“-Initiative zollfreie bzw. zollreduzierte<br />
Importe von Waren garantiert, müssen bei<br />
der Umsetzung der geforderten Standards finanziell<br />
<strong>und</strong> technisch unterstützt werden. Zudem können für<br />
Entwicklungsländer zur Senkung der Transaktionskosten<br />
in einer Anfangsphase Vereinfachungen bei<br />
der Verifizierung der Zertifizierungskriterien vorgesehen<br />
werden (z. B. Ansetzen von Default-Werten).<br />
Ebenso ist die Gruppenzertifizierung eine geeignete<br />
Möglichkeit, die Zertifizierungskosten für kleine<br />
landwirtschaftliche Betriebe speziell in Entwicklungsländern<br />
– aber auch in Industrie- <strong>und</strong> Schwellenländern<br />
– gering zu halten.<br />
10.3.3.3<br />
Präferenzielle Behandlung von <strong>Bioenergie</strong>trägern<br />
durch Qualifizierung als Environmental Goods and<br />
Services<br />
Eine präferenzielle Behandlung von Rohstoffen für<br />
<strong>Bioenergie</strong>nutzung könnte im multilateralen Rahmen<br />
außerdem auch aus den Liberalisierungsbestrebungen<br />
resultieren, welche durch die WTO seit<br />
einiger Zeit beim Handel mit so genannten Environmental<br />
Goods and Services (EGS) verfolgt werden<br />
(Chaytor, 2002; Iturregui <strong>und</strong> Dutschke, 2005;<br />
Singh, 2005; Dufey, 2006; Sell, 2006; Sugathan, 2006;<br />
Yu, 2007).<br />
Im Rahmen der seit 2001 andauernden Doha-Verhandlungsr<strong>und</strong>e<br />
wurde unter verschiedenen Mandaten<br />
zur Fortentwicklung des WTO-Rechts in Bezug<br />
auf Maßnahmen des Umweltschutzes die Liberalisierung<br />
des Handels mit EGS als Ziel formuliert (Minis-<br />
Standards für die Produktion von <strong>Bioenergie</strong>trägern 10.3<br />
tererklärung von Doha, Para. 31 [iii]). Es wird angestrebt,<br />
für ausgewählte, als besonders umweltfre<strong>und</strong>lich<br />
erachtete Produkte oder Dienstleistungen den<br />
Marktzugang zu verbessern, indem Zölle <strong>und</strong> andere<br />
Handelshemmnisse für die als EGS deklarierten<br />
Waren <strong>und</strong> Dienstleistungen beseitigt werden.<br />
Die Frage, welche Güter als EGS zu qualifizieren<br />
seien, ist unter den WTO-Vertragsstaaten umstritten.<br />
Es ist aber davon auszugehen, dass auch Güter aus<br />
dem Bereich der erneuerbaren Energien <strong>und</strong> insbesondere<br />
der <strong>Bioenergie</strong> für solche Liberalisierungsmaßnahmen<br />
in Frage kommen (Singh, 2005). Einen<br />
entsprechenden Vorstoß hat Brasilien unternommen,<br />
das im November 2007 im Rahmen des Committee<br />
on Trade and Environment der WTO beantragte,<br />
Biotreibstoffe generell als Environmental<br />
Goods zu betrachten.<br />
Im Vorfeld der Klimakonferenz von Bali im<br />
Dezember 2007 präsentierten zudem die EU <strong>und</strong> die<br />
USA an die Adresse der WTO einen gemeinsamen<br />
Vorschlag, Technologien mit Eignung zur Bekämpfung<br />
des Klimawandels als EGS besonders zu privilegieren.<br />
Gemäß diesem Vorschlag sollten in einer<br />
ersten Stufe insgesamt 43 „besonders klimafre<strong>und</strong>liche“<br />
Technologien (z. B. Solarzellen <strong>und</strong> Windturbinen)<br />
mit sofortiger Wirkung von Zöllen <strong>und</strong> ähnlichen<br />
Handelsbeschränkungen befreit werden. Als<br />
zweiter Schritt sollte anschließend im Rahmen des<br />
Doha-Prozesses ein Environmental Goods and Services<br />
Agreement ausgehandelt werden, das weitere<br />
als EGS zu qualifizierende Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen<br />
umfassen sollte. Die EU <strong>und</strong> die USA plädierten<br />
allerdings gegen eine Aufnahme von Biokraftstoffen<br />
in die Liste der primären „klimafre<strong>und</strong>lichen“ Technologien,<br />
was insbesondere durch Brasilien kritisiert<br />
wurde. Die EU sprach sich im Übrigen generell dafür<br />
aus, lediglich Nicht-Agrarprodukte aufzulisten.<br />
Die Doha-Verhandlungsr<strong>und</strong>e ist in den letzten<br />
Jahren mehrfach ins Stocken geraten. Nach dem<br />
Abbruch des WTO-Ministertreffens vom Juli 2008 in<br />
Genf ist angesichts der bestehenden politischen Differenzen<br />
insgesamt unklar, wie <strong>und</strong> in welchem zeitlichen<br />
Rahmen sich die Verhandlungen weiterentwickeln<br />
werden. Wie bei vielen anderen Aspekten<br />
der laufenden WTO-Verhandlungsr<strong>und</strong>e ist auch in<br />
Bezug auf EGS offen, welche Resultate zu erreichen<br />
sind. Zu den strittigen wichtigen Punkten gehört<br />
hier die vom Committee on Trade and Environment<br />
zu behandelnde Frage, unter welchen Voraussetzungen<br />
die erforderliche Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
eines Produkts oder einer Dienstleistung gegeben<br />
ist. Die angestrebte Liberalisierung ist aus ökologischer<br />
Sicht nur dann sinnvoll, wenn durch die Einstufung<br />
als EGS das Umweltschutzziel nicht unterlaufen<br />
wird, indem die als EGS deklarierten Güter <strong>und</strong><br />
Dienstleistungen pauschal <strong>und</strong> nicht gemäß ihrer<br />
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