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Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung

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24 2 Motivationen für die Nutzung von <strong>Bioenergie</strong><br />

Exemplarisch für eine in diesen Diskurs eingebettete<br />

Politik ist die Biokraftstoffrichtlinie (2003/30/<br />

EG) der EU, die auf eine Reduktion verkehrsbedingter<br />

CO 2 -Emissionen durch eine Beimischung<br />

von Biokraftstoffen abzielt. Warum der Beitrag<br />

des Verkehrssektors zum Klimaschutz gerade über<br />

flüssige Biokraftstoffe geleistet werden soll, lässt<br />

sich u. a. aus der Interessenslage eines gewichtigen<br />

Akteurs der europäischen Wirtschaftspolitik erklären:<br />

der Automobilindustrie. Da die Verwendung<br />

von Biokraftstoffen in konventionellen Verbrennungsmotoren<br />

nur geringfügige technische Anpassungen<br />

erfordert, lässt sich durch ihre Nutzung ein<br />

weitreichender <strong>und</strong> kostenintensiver Technologiewandel<br />

vermeiden; gleichzeitig wird ein ernsthafter<br />

Beitrag zum Klimaschutz ins Feld geführt. Unternehmen<br />

erhoffen so, mit geringem Aufwand ihren<br />

Beitrag zum Klimaschutz demonstrieren zu können,<br />

während für Konsumenten keine Notwendigkeit zu<br />

unmittelbaren Verhaltensänderungen wie beispielsweise<br />

einer Reduktion der Autonutzung besteht. Da<br />

die Frage nach der tatsächlichen Klimawirksamkeit<br />

derartiger Biokraftstoffe zunächst nicht ernsthaft<br />

gestellt wurde, schien dieser Weg für Entscheidungsträger<br />

in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft attraktiv <strong>und</strong> mit<br />

verhältnismäßig geringen Widerständen verb<strong>und</strong>en.<br />

Die unterstellte Klimawirksamkeit wurde nicht nur<br />

in den Industrieländern ein zentrales Argument für<br />

die Förderungswürdigkeit von Biokraftstoffen aus<br />

Energiepflanzen. Mit zunehmendem Wissensstand<br />

über Klimabilanzen <strong>und</strong> zusätzlich sichtbar werdenden<br />

Wechselwirkungen mit der Nahrungsmittelproduktion<br />

<strong>und</strong> dem Naturschutz sehen sich die Befürworter<br />

von Biokraftstoffen inzwischen schärfer werdender<br />

Kritik ausgesetzt. Deshalb kommt es bereits<br />

zu ersten politischen Korrekturen bis hin zu Forderungen<br />

nach Moratorien für den Anbau von Energiepflanzen<br />

(Umwelt Aktuell, 2008).<br />

Ein zweiter Diskurs um Ressourcenverknappung,<br />

steigende Energiepreise <strong>und</strong> Energiesicherheit<br />

betrachtet <strong>Bioenergie</strong> als Alternative zu den fossilen<br />

Energieträgern Kohle, Erdöl <strong>und</strong> Erdgas. Er fußt<br />

auf der Annahme, dass der Einsatz von Biomasse<br />

zu mehr Energie- <strong>und</strong> Versorgungssicherheit sowie<br />

einer reduzierten Abhängigkeit vom Import fossiler<br />

<strong>und</strong> nuklearer Energieträger beitragen kann.<br />

Die massive Verteuerung <strong>und</strong> prognostizierte<br />

Knappheit fossiler Brennstoffe, vor allem die des<br />

Erdöls („peak oil“), <strong>und</strong> die steigende Nachfrage aus<br />

Schwellenländern haben in den vergangenen Jahren<br />

eine neue Versorgungsdebatte entfacht (Worldwatch<br />

Institute, 2007; Economist, 2008a). Da die Förderung<br />

von Erdöl auf wenige, vielfach politisch instabile<br />

Regionen konzentriert ist, werden für eine Substituierung<br />

von Ölimporten außerdem sicherheitspolitische<br />

and geostrategische Motive genannt (Mild-<br />

ner <strong>und</strong> Zilla, 2007; Adelphi Consult <strong>und</strong> Wuppertal<br />

Institut, 2007). Diese Begründungszusammenhänge<br />

spielen vor allem in den USA eine wichtige<br />

Rolle (White House, 2006). Auch in der Europäischen<br />

Union wird die Abhängigkeit von russischem<br />

Gas <strong>und</strong> Erdöl als ernsthaftes Risiko für die Versorgungssicherheit<br />

betrachtet (EU-Kommission, 2005c).<br />

In beiden Fällen wurden ehrgeizige Pläne für den<br />

Ausbau der energetischen Biomassenutzung, speziell<br />

der flüssigen Biokraftstoffe, mit diesen Argumenten<br />

gestützt.<br />

Die Verringerung der Importabhängigkeit ist aber<br />

auch erklärtes Ziel der <strong>Bioenergie</strong>programme vieler<br />

Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländer. Hauptziel einer<br />

solchen Verringerung ist dabei die Vermeidung steigender<br />

Beschaffungskosten für fossile Rohstoffe. Die<br />

hohen Ölpreise der letzten Jahre haben die Außenhandelsbilanz<br />

vieler Länder deutlich verschlechtert,<br />

<strong>und</strong> Importsubstitutionen durch <strong>Bioenergie</strong> wird als<br />

möglicher Ausweg aus dieser Situation angepriesen<br />

(UN-Energy, 2007b). So waren etwa hohe Rohölpreise<br />

<strong>und</strong> das Ziel der Selbstversorgung wesentliche<br />

Determinanten der Biokraftstoffpolitik, mit der die<br />

brasilianische Regierung 2006 das Ziel der Selbstversorgung<br />

mit Rohöl erreicht hat (IEA, 2006a). Auch<br />

andere Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländer, wie z. B.<br />

Indien oder Indonesien, nennen die Importsubstitution<br />

als wesentliche Motivation für ihre Biokraftstoffstrategien<br />

(z. B. Planning Commission, 2003).<br />

Insgesamt ist auch dieser Diskurs, der in Entwicklungs-,<br />

Schwellen- <strong>und</strong> Industrieländern gleichermaßen<br />

vorzufinden ist, häufig auf flüssige Biokraftstoffe<br />

<strong>und</strong> den Verkehrssektor verengt. Neben den Mineralölversorgern<br />

<strong>und</strong> klein- <strong>und</strong> mittelständischen<br />

Unternehmen, die in Industrieländern große Marktchancen<br />

für Biokraftstoffe sehen (Economist, 2008a),<br />

finden sich auch in Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern<br />

gewichtige Interessen, die für einen Entwicklungspfad<br />

in Richtung Rohölsubstitution sprechen:<br />

Die wachsenden wohlhabenden Konsumentengruppen<br />

<strong>und</strong> die rasant steigende Nachfrage nach Automobilen.<br />

Innerhalb dieser spezifisch nationalen Versorgungsdiskurse<br />

spielt das Argument einer verbesserten<br />

Energieversorgung in ländlichen Räumen nur<br />

eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend sind<br />

die Prioritäten <strong>und</strong> Förderpolitiken nicht in ausreichendem<br />

Maße an den Bedürfnissen der von Energiearmut<br />

betroffenen Länder <strong>und</strong> Regionen ausgerichtet.<br />

In einem dritten Diskurs um ländliche Entwicklung<br />

<strong>und</strong> wirtschaftliche Potenziale werden die<br />

neuen Wachstums- <strong>und</strong> Beschäftigungspotenziale in<br />

der Landwirtschaft hervorgehoben. In Industrieländern<br />

wird die verstärkte energetische Nutzung von<br />

Biomasse als Chance gesehen, die Wirtschaftszweige<br />

der Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft neu zu beleben <strong>und</strong>

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