Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
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oder zur Überwindung der Energiearmut erwächst.<br />
Die Europäische Kommission hat zur Frage der Ausweitung<br />
des Nachhaltigkeitsstandards auf alle Arten<br />
von <strong>Bioenergie</strong> im Juli 2008 einen öffentlichen Konsultationsprozess<br />
gestartet, in dem auch die Einführung<br />
von Mindeststandards als allgemeine Voraussetzung<br />
für das Inverkehrbringen von <strong>Bioenergie</strong>produkten<br />
zur Diskussion gestellt wird. Diese ist die<br />
vom WBGU favorisierte Option.<br />
Werden rechtlich verbindliche Mindeststandards<br />
für <strong>Bioenergie</strong>träger im Sinne des WBGU vorgeschrieben,<br />
so muss innerhalb der EU ein entsprechendes<br />
international anwendbares Zertifizierungssystem<br />
entwickelt werden, damit die Einhaltung der<br />
Standards von den Betrieben innerhalb der EU, aber<br />
auch im Ausland, dokumentiert werden kann. Ein<br />
solches Zertifizierungssystem sollte so aufgebaut<br />
werden, dass mittel- bis langfristig auch andere Formen<br />
der Biomassenutzung integriert werden können<br />
(Kap. 10.3.1). Dies wird etwa in dem vom BMELV<br />
in Auftrag gegebenen Zertifizierungssystem „International<br />
Sustainability and Carbon Certification“<br />
(ISCC) berücksichtigt, welches vom Beratungsunternehmen<br />
MEO Consulting Team entwickelt wurde.<br />
Das ISCC erfasst alle Arten von <strong>Bioenergie</strong>trägern<br />
<strong>und</strong> ist so konzipiert, dass langfristig alle Biomassearten<br />
darunter gefasst werden können. Je nach Pflanzen<br />
<strong>und</strong> Regionen wurden unterschiedliche Mindeststandards<br />
<strong>und</strong> THG-Bilanzen (Default-Werte)<br />
erarbeitet, die der Zertifizierung zugr<strong>und</strong>e gelegt<br />
werden sollen. Dabei wird der Metastandardansatz<br />
verfolgt, d. h. bestehende Zertifizierungssysteme,<br />
etwa für Holz <strong>und</strong> Nahrungsmittel, werden für die<br />
Validierung der Einhaltung der Kriterien anerkannt<br />
(Meó Corporate Development, 2008). Der WBGU<br />
unterstützt die Herangehensweise des ISCC. Weiter<br />
empfiehlt der WBGU, wie im EU-Vorschlag vorgesehen,<br />
die Zertifizierung der Produkte nach dem<br />
Mass-balance-System. Im Gegensatz zum ebenfalls<br />
diskutierten Book-and-claim-System ist beim Massbalance-System<br />
eine Rückverfolgbarkeit der Warenflüsse<br />
möglich, was das System weniger betrugsanfällig<br />
macht.<br />
Für die Umsetzung eines solchen Zertifizierungssystems<br />
müssten unabhängige Zertifizierungsinstitutionen<br />
geschaffen sowie Kontrollorgane eingerichtet<br />
werden, die den Markt für <strong>Bioenergie</strong>zertifizierung<br />
überwachen <strong>und</strong> die Einhaltung der Standards<br />
national <strong>und</strong> international durchsetzen sowie<br />
die Nichteinhaltung sanktionieren können. Während<br />
einem einzelnen Staat bzw. der EU die Funktion als<br />
standardsetzende Institution <strong>und</strong> Kontrollinstitution<br />
zukommt, kann die Schaffung geeigneter Zertifizierungssysteme<br />
<strong>und</strong> die Durchführung der Zertifizierungen<br />
in Zusammenarbeit mit Marktakteuren<br />
geschehen. Eine möglichst weitgehende Ausla-<br />
Standards für die Produktion von <strong>Bioenergie</strong>trägern 10.3<br />
gerung der Zertifizierung an private, akkreditierte<br />
Zertifizierungsinstitutionen würde die Kosten eines<br />
solchen Systems für die öffentliche Hand reduzieren.<br />
Die stichpunktartige Kontrolle der Einhaltung<br />
der Standards müsste dennoch durch staatliche Stellen<br />
sichergestellt werden. Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländer<br />
sollten bei der Einrichtung von nationalen<br />
Kontrollstellen technisch <strong>und</strong> finanziell unterstützt<br />
werden.<br />
Freiwillige Standards<br />
Von den bereits etablierten freiwilligen Standards<br />
<strong>und</strong> Zertifizierungssystemen für Biomasse <strong>und</strong> Energieprodukte<br />
könnten einige aufgr<strong>und</strong> ihrer inhaltlichen<br />
Ausrichtung, ihrer weltweiten Anwendbarkeit<br />
<strong>und</strong> ihrer globalen Akzeptanz als Referenzsystem<br />
für einen Standard für <strong>Bioenergie</strong>träger dienen <strong>und</strong><br />
möglicherweise auch bei der Zertifizierung als Nachweis<br />
über die Einhaltung der Zertifizierungskriterien<br />
herangezogen werden. Gr<strong>und</strong>sätzlich haben freiwillige<br />
Standards <strong>und</strong> Zertifizierungssysteme gegenüber<br />
einem verbindlichen Mindeststandard den Vorteil,<br />
dass sie auch anspruchsvollere Anforderungen<br />
enthalten können, da gr<strong>und</strong>sätzlich aufgr<strong>und</strong> der<br />
Freiwilligkeit mit einer höheren Akzeptanz bei den<br />
betroffenen Marktakteuren zu rechnen <strong>und</strong> zudem<br />
die Frage der Vereinbarkeit mit dem internationalen<br />
Handelsrecht günstiger zu beurteilen ist (Kap.<br />
10.3.4).<br />
Freiwillige Standards sind für Produzenten dann<br />
attraktiv, wenn zusätzliche Aufwendungen für die<br />
Einhaltung der Standards sowie für die Durchführung<br />
der Zertifizierung durch höhere Einnahmen aus<br />
dem Verkauf der zertifizierten Produkte kompensiert<br />
werden. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn<br />
die Konsumenten Zahlungsbereitschaft für <strong>Bioenergie</strong>träger<br />
aus zertifizierter Produktion zeigen, so dass<br />
die Produzenten eine Preisprämie verlangen können.<br />
Die Höhe der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten<br />
bestimmt die Höhe der Nachfrage nach zertifizierten<br />
Produkten <strong>und</strong> somit den Marktanteil zertifizierter<br />
<strong>Bioenergie</strong>träger. Bei entsprechender Sensibilisierung<br />
der Konsumenten für mögliche negative<br />
Umwelt- <strong>und</strong> Sozialwirkungen bei der Herstellung<br />
von <strong>Bioenergie</strong>trägern könnte ein Nachfragesog für<br />
nachhaltig produzierte <strong>Bioenergie</strong>träger durch die<br />
gesamte Handelskette ausgelöst werden.<br />
Bei der Einschätzung der Wirksamkeit freiwilliger<br />
Zertifizierungssysteme im <strong>Bioenergie</strong>sektor hilft<br />
der Blick auf bestehende Zertifizierungssysteme für<br />
Holz, Nahrungsmittel <strong>und</strong> Energieprodukte (Tab.<br />
10.3-1). Es zeigt sich, dass staatliche Regulierung<br />
<strong>und</strong> Anreizsysteme im Markt für zertifizierte erneuerbare<br />
Energien eine weit wichtigere Rolle spielen<br />
als etwa im Markt für öko-zertifizierte Nahrungsmittel,<br />
weshalb Erfahrungen bei der Zertifizierung von<br />
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