Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung
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330 12 Handlungsempfehlungen<br />
kraftstoffe in Europa zur Entwaldung in anderen Teilen<br />
der Welt führen kann, steht <strong>Bioenergie</strong> beispielhaft<br />
für ein komplexes globales Problem, bei dem<br />
Handlungen staatlicher <strong>und</strong> nichtstaatlicher Akteure<br />
auf lokaler oder nationaler Ebene ungewollte Konsequenzen<br />
überregionaler bzw. globaler Art verursachen.<br />
<strong>Bioenergie</strong>politik macht daher auch eine<br />
Mehr ebenenpolitik notwendig.<br />
Die folgenden spezifischen Handlungsempfehlungen<br />
sind in sechs Blöcke gruppiert, die inhärent<br />
Überschneidungen aufweisen <strong>und</strong> damit die Notwendigkeit<br />
der Mehrebenenpolitk bestätigen. Ausgangspunkt<br />
ist die konsistente Einbindung der <strong>Bioenergie</strong><br />
in die Klimaschutzpolitik, das erste Teilziel<br />
des Leitbilds. Kapitel 12.1 beschäftigt sich daher mit<br />
den Anreizen <strong>und</strong> Verpflichtungen im Rahmen des<br />
UN-Klimaschutzregimes. Dabei können gleichzeitig<br />
auch Beiträge zum zweiten Teilziel des Leitbilds,<br />
der Überwindung der Energiearmut, geleistet werden.<br />
Weil aber das Klimaschutzregime keine kurzfristige<br />
Wirkung entfaltet <strong>und</strong> die Einhaltung weiterer<br />
Nachhaltigkeitsdimensionen (z. B. Ernährungssicherung<br />
oder Erhaltung biologischer Vielfalt) nicht<br />
sicherstellen kann, muss gleichzeitig die Festlegung<br />
von Standards <strong>und</strong> die Zertifizierung für <strong>Bioenergie</strong><br />
zunächst auf bi- <strong>und</strong> multilateraler Ebene vorangetrieben<br />
werden. Kapitel 12.2 gibt hierzu zahlreiche<br />
Empfehlungen. Ein zentrales Problem der <strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
stellen Flächennutzungskonkurrenzen<br />
beim Anbau von Energiepflanzen dar. Standards<br />
allein können dieses Problem nicht lösen. Daher sind<br />
weitergehende flankierende Maßnahmen zur Sicherung<br />
der globalen Nahrungsmittelproduktion <strong>und</strong> der<br />
biologischen Vielfalt sowie des Wasser- <strong>und</strong> Bodenschutzes<br />
auf zahlreichen Handlungsebenen notwendig,<br />
die in Kapitel 12.3 vorgestellt werden. Das technische<br />
<strong>nachhaltige</strong> <strong>Bioenergie</strong>potenzial, vom WBGU<br />
im Jahr 2050 auf 84–166 EJ pro Jahr geschätzt, sollte<br />
genutzt werden.<br />
Ein wichtiges staatliches Gestaltungsinstrument<br />
ist dabei die Förderpolitik. Hier gilt es, Fehlanreize<br />
zu korrigieren <strong>und</strong> dem Leitbild entsprechende Entwicklungen<br />
zu fördern. Hierzu gibt der Beirat in Kapitel<br />
12.4 Empfehlungen. Dem Teilziel des Leitbilds<br />
Überwindung der Energiearmut widmet der WBGU<br />
das Kapitel 12.5. Hier sieht der Beirat gleichermaßen<br />
große Handlungsdefizite wie Entwicklungspotenziale.<br />
Derzeit gibt es weder eine internationale<br />
Organisation noch ein Vertragswerk, das spezifisch<br />
für das Thema <strong>Bioenergie</strong> zuständig wäre. Stattdessen<br />
haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl an<br />
privaten Foren, UN-Aktivitäten <strong>und</strong> zwischenstaatlichen<br />
Prozessen entwickelt. Vorschläge zur Überwindung<br />
dieser fragmentierten institutionellen Situation<br />
legt abschließend Kapitel 12.6 vor.<br />
12.1<br />
<strong>Bioenergie</strong> konsistent in die internationale<br />
Klimaschutzpolitik einbinden<br />
Anrechnungsverfahren für CO 2 ‑Emissionen<br />
durch <strong>Bioenergie</strong> gr<strong>und</strong>legend reformieren<br />
Die bestehenden Regelungen in der Klimarahmenkonvention<br />
(UNFCCC) <strong>und</strong> im Kioto-Protokoll führen<br />
zu Fehlanreizen in Bezug auf <strong>Bioenergie</strong>produktion<br />
<strong>und</strong> -nutzung bis hin zur Förderung klimaschädlicher<br />
<strong>Bioenergie</strong>nutzung (Kap. 10.2). Der WBGU<br />
hält daher eine Befassung der UNFCCC-Gremien<br />
mit dem Thema <strong>Bioenergie</strong> für notwendig. Ziel sollte<br />
es sein, die Anrechnungsmodalitäten für die Verpflichtungen<br />
im Rahmen des Kioto-Protokolls bzw.<br />
seiner Nachfolgeregelung zu reformieren <strong>und</strong> die<br />
Zuordnung der Emissionen in den Treibhausgasinventaren<br />
dahingehend anzupassen, dass Fehlanreize<br />
<strong>und</strong> eine verzerrte Darstellung des Klimaschutzbeitrags<br />
von <strong>Bioenergie</strong>nutzung vermieden werden. Der<br />
WBGU hält eine Regelung für sinnvoll, die folgende<br />
Elemente umfasst:<br />
Erstens darf die Nutzung von <strong>Bioenergie</strong> nicht<br />
weiter pauschal als frei von CO 2 -Emissionen („Nullemission“)<br />
im Energiesektor gezählt werden. Der<br />
WBGU plädiert hier jedoch nicht für einen Ersatz<br />
der unterstellten Null emissionen durch kumulierte<br />
Emissionen aus einer Lebenszyklusanalyse der <strong>Bioenergie</strong>,<br />
da dies mit den übrigen Zurechnungsmodalitäten<br />
innerhalb der UNFCCC nicht kompatibel<br />
wäre <strong>und</strong> zu Doppelzählungen führen würde (Kap.<br />
10.2.2). Vielmehr sollten im Energiesektor die tatsächlich<br />
bei der Verbrennung der Biomasse entstehenden<br />
CO 2 -Emissionen gezählt <strong>und</strong> angerechnet<br />
werden. Entsprechend sollte die Aufnahme von<br />
CO 2 aus der Atmosphäre durch Energiepflanzen im<br />
<strong>Landnutzung</strong>ssektor gezählt werden. Diese Korrektur<br />
würde die Behandlung von <strong>Bioenergie</strong> an dem<br />
auch ansonsten angewendeten Prinzip ausrichten,<br />
Emissionen gr<strong>und</strong>sätzlich dem Ort <strong>und</strong> Zeitpunkt<br />
ihrer Entstehung zuzuordnen.<br />
Zweitens sollten die bisherige Regelung, nach<br />
der ausgewählte Emissionen <strong>und</strong> Absorptionen aus<br />
<strong>Landnutzung</strong> <strong>und</strong> <strong>Landnutzung</strong>sänderungen auf die<br />
Verpflichtungen der Staaten angerechnet werden<br />
bzw. werden können, durch eine vollständige Erfassung<br />
aller Emissionen aus diesen Sektoren ersetzt<br />
werden. Die neue Regelung sollte idealerweise in<br />
eine umfassende Vereinbarung zum Erhalt der Kohlenstoffvorräte<br />
terrestrischer Ökosysteme innerhalb<br />
der UNFCCC eingebettet wären.<br />
Drittens bedarf es Ergänzungen, die den Handel<br />
zwischen Staaten mit <strong>und</strong> Staaten ohne Verpflichtung<br />
zur Emissionsbegrenzung betreffen (Kap. 10.2.2.1).