Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
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schaftsverpflichtungen an, in der allerdings der Staat eine<br />
besondere Bedeutung erhält. Der Staat wird als autonome Größe<br />
über der vom Klassenantagonismus gekennzeichneten Gesellschaft<br />
gesehen. Die Überwindung der alten Ordnung soll laut "Quadragesimo<br />
anno" durch einen Ständestaat erfolgen, in dem berufsständische<br />
, aus Vertretern ' der Arbeiterschaft und der Unternehmer<br />
gebildete Körperschaften den Interessensausgleich herstellen und<br />
die harmonische, konfliktfreie Ordnung schaffen.<br />
Ein solches Konzept sieht - außerhalb der vorgegebenen Stände -<br />
keine Artikulation politischer Interessen vor. Parteien als<br />
weltanschauliche Zusammenschlüsse oder Gewerkschaften als Organisationen<br />
von Klasseninteressen sind untersagt. Damit sind<br />
Insti tutionen ausgeschaltet, die in demokratischen Gesellschaften<br />
an der Konkurrenz um und an der Kontrolle von Macht wesentlich<br />
beteiligt sind. Die Konsequenz ist eine autoritäre Ordnung, in der<br />
zentrale Bestandteile der bürgerlichen Demokrat ie eliminiert sind.<br />
In Österreich trat zu diesem staats- und gesellschaftspolitischen<br />
Konzept noch der Ausschließlichkeitsanspruch des politischen<br />
Katholizismus. Das verstärkte die autoritäre Komponente im<br />
Hinblick auf die Freiheit von Presse und Kultur.<br />
Die christliche Arbeiterbewegung war zwar nach Klassengesichtspunkten<br />
organisiert, gleichzeitig aber Teil der Christlichsozialen<br />
Volkspartei und damit des katholisch-konservativen Lagers. Beide<br />
begriffen sich selbst als über den Klassen stehend, in ihrer Politik<br />
wurden sie aber von den Interessen der ökonomisch Selbständigen<br />
stärker bestimmt als von jenen der Arbeiterschaft. Für die<br />
meisten christlichen Arbeiter war wohl das Bekenntnis zum<br />
Katholizismus und zum Antimarxismus weit wesentlicher als der<br />
Antikapitalismus (69).<br />
Die Mitgliedschaft von Arbeiterinnen und Arbeitern in christlichen<br />
Gewerkschaften und katholischen Vereinen und die Wahlentscheidung<br />
für die CVP wurden in Vorarlberg von einem besonderen<br />
sozio-ökonomischen Milieu gefördert. Es hatten sich weder<br />
industrielle noch städtische Ballungszentren entwickelt, und in<br />
den Dörfern hatte sich die traditionelle bäuerlich-gewerbliche<br />
Mischökonomie lediglich um eine Komponente, nämlich die der Industriearbeit,<br />
erweitert. Innerhalb eines Familienverbandes konnten<br />
diese drei Produktionsformen - Landwirtschaft, Gewerbe, Industriearbeit<br />
nebeneinander existieren und Famil'ienmitglieder<br />
von einem Bereich in den andern wechseln. Auch wenn die<br />
Industriearbeit schon längst zur wichtigsten Einkommensquelle<br />
geworden war, blieb sie mit geringem Sozialprestige behaftet. Solche<br />
Industriearbeiter vielfach Frauen, die besonders die<br />
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