Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
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Der Juli 1927<br />
Nach den Eisenbahnerstreiks vom Dezember 1919 und November 1920<br />
streikten Eisenbahner und teilweise auch Postbeamte am 25. und<br />
26. Juni 1922 sowie vom 7. bis zum 13. November 1924, ohne daß<br />
die Behörden das verhindern konnten. Der "Notbann" organisierte<br />
zwar jeweils einen Omnibus-Ersatzverkehr, und Gendarmerie sowie<br />
Heer schützten Arbeitswillige, doch die Streiks konnten nicht<br />
gebrochen werden (38).<br />
Im Oktober 1926 sandte dann das Bundeskanzleramt der Landesregierung<br />
eine große Zahl vervielfältigter Erlässe zu, in denen<br />
erläutert wurde, daß Beamte nicht streiken dürfen. Da es zu keinem<br />
Beamtenstreik kam, liegen diese Erlässe noch vollzählig bei<br />
den Akten (39). Die entscheidende Auseinandersetzung kam im<br />
Sommer des folgenden Jahres.<br />
Am 14. Juli 1927 wurden um 10 Uhr abends von einem Wiener<br />
Geschworenengericht jene drei Heimwehrleute freigesprochen, die<br />
am 30. Jänner desselben Jahres im burgenländischen Schattendorf<br />
bei einer sozialdemokratischen Demonstration zwei Teilnehmereinen<br />
Kriegsversehrten und ein Kind - erschossen hatten. Dieser<br />
skandalöse Freispruch traf das Gerechtigkeitsempfinden der Arbeiterschaft;<br />
eine Justiz, die Klassenrecht sprach und nicht unabhängig<br />
jedem zu seinem Recht verhalf, trieb dieselben Menschen<br />
auf die Straße, die von der Republik vor allem Freiheit und Gerechtigkeit<br />
erwarteten. Der Justizpalast als Zentrum des Un-Rechts<br />
wurde angezündet, die Wiener Sicherheitswache schoß blind in die<br />
Menge. Das Ergebnis waren 89 Tote und eine nicht eruierbare<br />
Zahl von Verletzten - sowie ein nicht mehr gutzumachender Bruch<br />
zwischen Staat und Arbeiterschaft (40).<br />
Die sozialdemokratische Parteiführung , der die empörten Massen<br />
entglitten waren, rief ihrerseits zu einem eintägigen Generalstreik<br />
und zu einem unbefristeten Verkehrf?streik auf. Während der Generalstreik<br />
in Vorarlberg nicht befolgt wurde, führte der Verkehrsstreik<br />
hierzulande zur entscheidenden Auseinandersetzung zwischen<br />
Sozialdemokratie einerseits und politischem Katholizismus sowie<br />
rechtem Laizismus andererseits.<br />
Als der Verkehrsstreik am Samstag, dem 16. Juli 1927, frühmorgens<br />
ausbrach, war die Landesregierung samt den nachgeordneten<br />
Dienststellen gut vorbereitet. Ordnungskräfte standen ausreichend<br />
zur Verfügung. Speziell in Bregenz war bereits wegen des seit<br />
23. Juni andauernden Bauarbeiterstreiks beträchtlich Gendarmerie<br />
konzentriert. Postamt und Schiffshafen wurden schon am Sonntag<br />
durch Gendarmerieeinheiten von Streikenden geräumt. Die Streik-<br />
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