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wurde von den Vorarlberger Behörden fast ein Jahr lang<br />

zurückgehalten. Er war auch anschließend unwirksam. Denn in<br />

Vorarlberg blieb die Pflichtschule fest in katholischer Hand, die<br />

Lehrer waren fast ausschließlich katholisch. Wie dieser Erlaß,<br />

der 1933 aufgehoben wurde, so blieb das sozialdemokratische<br />

Schulreformwerk in Vorarlberg ohne Bedeutung (60).<br />

Parallel zum Aufkommen des sozialdemokratischen Vereins "Freie<br />

Schule - Kinderfreunde" - der schon ab den ersten Jahren der<br />

Republik elf Ortsgruppen in Bregenz, Hard, Altach , Dornbirn,<br />

Götzis, Rankweil , Bludenz, Höchst, Altenstadt-Levis, Lustenau<br />

hatte - verstärkte die Kirche ihre außerschulischen Aktivitäten:<br />

24 Ortsgruppen der katholischen Jugend waren aktiv. Für die<br />

"schulentwachsene Jugend" wurden zur "religiös-sittlichen<br />

Führung" Sonntagsschulen gegründet. Jeden Sonntagnachmittag<br />

wurden in 45 Pfarreien zwei Stunden lang Religionsunterricht und<br />

religiöse Übungen angeboten, die allerdings überwiegend von<br />

Mädchen besucht wurden (61).<br />

Das "Volksblatt" startete breit angelegte Kampagnen gegen die<br />

Kinderfreunde, am 25. Mai 1921 konnte man etwa lesen: "Zum<br />

Schlusse ein kurzes W·ort an die christlichen Eltern: könnt ihr die<br />

got tgegebenen, gottgeschenkten Kinder dem Moloch Sozialdemokratie<br />

überantworten? Sind euch euere Kinder noch lieb?" Die Kinderfreunde<br />

hielten die Kinder durch Wanderungen an Sonn- und<br />

Feiertagen vom Besuch des Nachmittagsgottesdienstes ab, auch<br />

untergrüben sie die Autorität und gefährdeten das Schamgefühl<br />

der Buben und Mädchen, da sie, wie ein "Freund von Kindern" im<br />

"Volksblatt" vom 1. <strong>August</strong> 1922 feststellte, "ohne Unterschied<br />

untereinander sein (sollen) , beim Spiel, beim Turnen, beim<br />

Baden, ja selbst beim Sonnenbaden".<br />

Dem politischen Katholizismus standen die Behörden zur Verfügung:<br />

1925 wurde unter Berufung auf die Schul- und Unterrichtsordnung<br />

vom 29. September 1905 die Teilnahme von Kindern an<br />

den sozialdemokratischen Mai-Aufmärschen verboten (62).<br />

Eine weitere Konfliktebene wurde schon angedeutet: Es ging um<br />

das Verhältnis zum eigenen Körper, um Körperlust oder Körperlast,<br />

im letzten wohl um Sexualität. Für die Sozialdemokratie hatten<br />

Körperlichkeit und Sexualität eine politische Dimension. Menschen<br />

ohne Körper- und Sexualängste sind glücklicher, freier und<br />

politisch wacher - so wurde angenommen. Mit dieser Vorstellung<br />

von befreiter Körperlichkeit waren untrennbar verbunden Ideen<br />

von sozialer Verantwortung, Disziplin, Treue das gen aue<br />

Gegenteil jener Promiskuität, die das katholische Lager immer unterstellte.<br />

Die zweite Funktion der neuen Körperlichkeit war die<br />

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