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DER POLITISCHE KATHOLIZISMUS - DIE CVP<br />
Die Christlichsoziale Volkspartei (CVP) war während der Ersten<br />
Republik unangefochten die bestimmende politische Kraft in Vorarlberg<br />
(1). Bei Landtagswahlen erzielte sie zwischen 64 Prozent<br />
(1919) und 57 Prozent (1933) der abgegebenen Stimmen. Sie stellte<br />
in der Landesregierung die wichtigsten Referenten, aber auch<br />
bedeutende Bundespolitiker: Otto Ender, Landeshauptmann 1918 bis<br />
1934, Bundeskanzler 1930 bis 1931, Verfassungsminister 1933 bis<br />
1934; Jodok Fink, Vizekanzler 1919 bis 1920, Nationalratsabgeordneter<br />
1918 bis 1929; Emil Schneider, Unterrichtsminister 1922 bis<br />
1926; <strong>Johann</strong> Josef Mittelberger, Landesrat 1923 bis 1934,<br />
Finanzminister 1929; Ferdinand Redler, Landeshauptmannstellvertreter<br />
1918 bis 1934, Landeshauptmann 1930 bis 1931; Ulrich<br />
Ilg, Landesrat 1934, Staatssekretär 1934 (2).<br />
Die CVP war die Partei der katholischen Kirche, aber sie war<br />
nicht die Partei einer Klasse. Ausgehend von einer Analyse der<br />
für die Gemeinderatswahlen 1924 von der CVP aufgestellten Kandidaten<br />
stellte das christlichsoziale "Volksblatt" am 5. Februar 1924<br />
fest, die Liste der CVP "ist die einer Volkspartei, die alle Stände<br />
gebührend berücksichtigt". Von 48 Kandidaten bei den Landtagswahlen<br />
1923 waren 40 Prozent selbständig, da von 25 Prozent<br />
Bauern, 19 Prozent öffentlich Bedienstete, vor allem Lehrer,<br />
8 Prozent Angestellte, 10 Prozent Arbeiter. Nur zwei Kandidaten,<br />
Otto Ender und Ferdinand Redler, waren Freiberufler, nämlich<br />
Rechtsanwälte. Bestimmendes Element innerhalb der Elite der CVP<br />
waren wohl die Honorat ioren: aus der Gruppe der Bauern, Gewerbetreibenden<br />
und Lehrer (3).<br />
Während die Arbeiterschaft in der Elite der Partei eher spärlich<br />
vertreten war - bedeutendster Arbeitervertreter war Josef Kennerknecht,<br />
1918 bis 1934 Landesrat -, stellte sie einen beträchtlichen<br />
Teil der Mitglieder und Wähler.<br />
Die in der CVP bestimmenden Eliten und auch der aus dem<br />
bäuerlich-gewerblichen Milieu stammende Teil der Anhängerschaft<br />
lehnten den Begriff Klassenkampf vermutlich ab als etwas Fremdes,<br />
von außen in geordnete Verhältnisse Hineingetragenes, dort<br />
die hergebrachte Ordnung Störendes. Die christlichsozialen Politiker<br />
empfanden sich als über den Klassen stehend. In ihrer Praxis<br />
überwogen jedoch die Interessen der Selbständigen aus Industrie,<br />
Gewerbe und Landwirtschaft. Die Arbeiter innerhalb der<br />
CVP trugen eine Politik mit, die sich vehement ' gegen die in der<br />
Sozialdemokratie organisierte Mehrheit der österreich ischen Arbei-<br />
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