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gleichviel Bregenzer Sozialdemokraten mit Musik und Fahne am<br />

Hafen abgeholt wurden. Man marschierte darauf ins Bregenzer<br />

Arbeiterviertel Vorkloster , wo um 9 Uhr im Hotel Neustadt<br />

die Festversammlung begann. 1920 hielt Ferdinand Nansen die<br />

Festrede, derselbe Nansen, der dann einen Monat später bei den<br />

Milch-Demonstrationen den Behörden unangenehm auffiel. An<br />

jenem 1. Mai sprach er über die Revolution, die nicht stattgefunden<br />

habe, weil man den richtigen Zeitpunkt verpaßt habe, das<br />

Proletariat zu wenig aufgeklärt sei und die Bauern vernachlässigt<br />

worden wären. Die Rede war eingebettet in Liedvorträge des<br />

Bregenzer und Lindauer Arbeiterchores, Militärmusik oder Eisenbahnermusik<br />

spielten und Ged ich te wurden vorgetragen. Um<br />

11.45 Uhr fuhren die Lindauer mit dem Schiff wieder nach Hause,<br />

und die Bregenzer formierten sich um 13.30 Uhr zum Festzug.<br />

Folgende Ordnung war festgelegt: 'Radfahrer mit geschmückten<br />

Rädern - Kinder des Vereins Kinderfreunde mit der Standarte "Wir<br />

sind jung und das ist schön" - Verein jugendlicher Arbeiter mit<br />

Fahne und Standarten - Arbeiterturner mit Standarte - Musik und<br />

Bezirksfahne - Gemeinderatsfraktion - Frauenorganisation - Masse<br />

der Genossen aus Bregenz und Umgebung. Der Zug bewegte sich<br />

aus dem Vorkloster in die Innenstadt, durch die Viertel der<br />

Bürger stolz führte man eigene Stärke vor -, und danach<br />

marschierten noch ungefähr 500 Personen nach Lindau-Reutin. Dort<br />

feierte man im Gasthof Steig gemeinsam mit den Lindauern,<br />

abermals wurden Reden gehalten, Lieder und Gedichte vorgetragen.<br />

Um 20 Uhr war man dann nach neuerlichem Fußmarsch wieder<br />

im Hotel Neustadt im Vorkloster angelangt. Da stand nochmals<br />

Kultur auf dem Programm: Die Laienspielgruppe der Sozialdemokratischen<br />

Arbeiterjugend gab den Dreiakter "Völkerfeiertag" zum<br />

besten. Als dann das Arbeiter-Streichorchester ein nicht näher<br />

bekanntes Stück spielte, war das einigen Arbeitern doch zuviel<br />

der Kultur. Die "Vorarlberger Wacht" stellte am 5. Mai indigniert<br />

fest, es "herrschte nicht solche Ruhe und Aufmerksamkeit, welche<br />

solche Kunststücke verdienen. Der Sinn für die Tonmusik muß bei<br />

vielen Arbeitern erst geweckt werden." Schließlich aber wurde<br />

einer alten Tradition Folge geleistet, es war Frühling, und die<br />

Lebensfreude der Menschen forderte ihr Recht: Man tanzte bis tief<br />

in die Nacht (92).<br />

Dennoch war die kulturelle Dimension wichtig. Mit der Aneignung<br />

von bürgerlicher Kultur und in der Schöpfung eigener Formen<br />

kulturellen Audrucks stieg auch das Selbstbewußtsein; man gehörte<br />

einer Organisation an, derer man sich nicht zu schämen<br />

brauchte. Die große Bedeutung der Symbolik wird im Bericht eines<br />

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