Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
"moderne" rassische Antisemitismus der Nationalsozialisten nicht so<br />
scharf vom christlichen Antisemitismus scheiden, wie es so<br />
mancher gerne hätte. Schon im Sommer 1924 - und nicht erst nach<br />
dem Einmarsch deutscher Truppen 1938 - tauchten im Montafon<br />
die ersten Schilder auf: "Juden in Schruns unerwünscht". Schon<br />
1936 wurden bei allen Bregenzer Juden Haussuchungen durchgeführt,<br />
und keineswegs erst durch die Gestapo ab 1938 (81).<br />
Dann aber setzte die Vernichtungsmaschinerie ein, oft mit Unterstützung<br />
der einheimischen Behörden. Von den 104 bei der Volkszählung<br />
vom 17. Mai 1939 in Vorarlberg registrierten Juden und<br />
"Mischlingen" überlebten nur die wenigsten; fast alle wurden deportiert<br />
und umgebracht. (82). Der nationalsozialistische Antisemitismus<br />
wurzelt durchaus im christlichen: 1919 etwa legte<br />
Leopold Kunschak dem christlichsozialen Abgeordnetenklub im<br />
Nationalrat ein Juden-Dissimilierungsgesetz vor; derselbe Kunschak<br />
verlangte 1920 als Parteiobmann der Christlichsozialen im Nationalrat<br />
die Internierung "der Juden" in "Konzentrationslagern"<br />
(83).<br />
Der Antisemitismus war wesentlicher Bestandteil des christlichsozialen<br />
Programms. Der VI I. Leitsatz der Vorarlberger CVP vom<br />
Dezember 1918 lautete:<br />
"Sie bekämpft mit aller Entschiedenheit die Vorherrschaft des<br />
Judentums, sowie überhaupt den unheil vollen und verderblichen<br />
Einfluß des jüdischen Geistes auf allen kulturellen, wirtschaftlichen<br />
und politischen Gebieten."<br />
Ähnlich war der VIII. Punkt des Linzer Programms der CVP vom<br />
29. November 1926 formuliert:<br />
"Als national gesinnte Partei forciert die christlichsoziale Partei<br />
die Pflege deutscher Art und bekämpft die Übermacht des<br />
zersetzenden jüdischen Einflusses auf geistigem und wirtschaftlichem<br />
Gebiete" (84).<br />
Und als die Parteiführung der Vorarlberger Großdeutschen den<br />
Mi tgliedern den Übertri tt in die NSDAP-Hi tierbewegung empfahl,<br />
wurde dies damit begründet, daß diese Bewegung "die hauptsächlichen<br />
Forderungen der Großdeutschen Volkspartei, besonders den<br />
Anschlußwillen und den Antisemitismus, gleichfalls vertritt" (85).<br />
Der latent in breiten Bevölkerungskreisen vorhandene Antisemitismus<br />
floß ins politische Kalkül der Christlichsozialen und Großdeutschen<br />
ein. Der Antisemitismus wurde in Vorarlberg - einem<br />
Land mit sehr geringem jüdischen Bevölkerungsanteil - vor allem<br />
zu einem Kampfinstrument gegen die Sozialdemokratie. Das hatte<br />
in Vorarlberg Tradition, schrieb doch das "Volksblatt" schon im<br />
letzten Viertel des 19. Jahrhunderts besonders vehement gegen jü-<br />
193