Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
wieder die Übereinstimmung von Partei- und Gewerkschaftsmitgliedschaft<br />
erreicht, wie sie vor dem Ersten Weltkrieg üblich gewesen<br />
war (74). Ohne daß jetzt auf Ursachen eingegangen wird,<br />
ist festzuhalten : Der SDAP gelang es nicht, die große Zahl der<br />
Arbeiter an sich zu binden, die in den ersten Jahren der<br />
Republik den Freien Gewerkschaften beigetreten waren. Die Vorarlberger<br />
Gewerkschaftsorganisation blieb die weitaus schwächste<br />
aller Bundesländer. Das Burgenland etwa hatte vierrnal mehr Mitglieder<br />
aufzuweisen als Vorarlberg (75).<br />
Die enge Verbindung yon Partei und Gewerkschaft zeigt sich bei<br />
den Funktionären besonders deutlich. Samuel Spindler war sozialdemokratischer<br />
Stadtvertreter in Bregenz und Sekretär der Textilarbeitergewerkschaft.<br />
Wilhelm Sieß war führender Eisenbahner<br />
Gewerkschafter und als solcher Präsident der Vorarlberger<br />
Arbeiterkammer , aber auch sozialdemokratischer Landtagsabgeordneter<br />
. Anton Linder war sowohl Obmann der Landesgewerkschaftskommission<br />
als auch sozialdemokratischer Parteisekretär und<br />
Landtagsabgeordneter und hatte daneben noch etliche andere<br />
Funktionen inne.<br />
Diese Ämterhäufungen in wenigen Händen dürften nicht dem besonderen<br />
Ehrgeiz der einzelnen Männer zuzuschreiben sein, sondern<br />
aus der materiellen Situation der aus der Arbeiterklasse<br />
stammenden Politiker resultieren. Denn in der Ersten Republik<br />
waren nur sehr wenige politische Positionen ausreichend dotiert.<br />
Ein Landtagsabgeordneter etwa erhielt nur für Landtagssitzungen<br />
ein Taggeld von 8 Schilling 1924 beziehungsweise 10 Schilling 1930<br />
und jeweils 4 Schilling Nächtigungsgebühr. Bis auf die angestellten<br />
Sekretäre wurden weder Partei- noch Gewerkschaftsfunktionäre<br />
bezahlt. Wenn man bedenkt, welch großen Zeitaufwand<br />
Partei- und Gewerkschaftsarbeit angesichts der miserablen Verkehrsverhältnisse<br />
mit sich brachte, dann wird klar, warum an<br />
qualifizierten Funktionären kein Überschuß bestand. Die wenigen<br />
Männer, die eine bezahlte politische Position innehatten - wie<br />
Sieß als Arbeiterkammerpräsident , Spindler als Textilarbeiter-Sekretär,<br />
Linder als Parteisekretär oder Fritz Preiß als<br />
Geschäftsführer der Industriellen Bezirkskommission , aus der<br />
dann das Landesarbeitsamt entstand mußten daher möglichst<br />
viel Partei- und Gewerkschaftsarbeit machen. Aber weder Partei<br />
noch Gewerkschaft hätten ohne die vielen Funktionäre bestehen<br />
können, die die ganze Freizeit ihrem politischen Anliegen<br />
opferten. Daß dabei sozialer Ehrgeiz der Wunsch nach<br />
gesellschaftlicher · Anerkennung - eine wichtige Rolle spielte, darf<br />
nicht verwundern. Hoffnungen auf beruflichen Aufstieg konnten<br />
112