Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
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auffordert, die überkommene und bewährte Ordnung mit allen<br />
Mitteln aufrechtzuerhalten und - wo nötig - wiederherzustellen.<br />
Wir wissen jetzt, daß dieser Brief vor allem gegen Sozialdemokraten<br />
gerichtet war und daß er auf die Rätebewegung Bezug<br />
nahm. Auch wissen wir, daß Hensler durchaus auch an gewaltsame<br />
Lösungen denken mochte, wenn man berücksichtigt, daß<br />
bereits im ganzen Land die schwerbewaffneten "Freiwilligen<br />
Volksmilizen" bestanden. Doch konnte bislang die Frage, warum<br />
Hensler diesen Brief an die Landesregierung schrieb, nicht<br />
beantwortet werden. Wie wir sahen, bedeutete der Rätegedanke<br />
1920 schon lange keine Gefahr mehr, waren doch die Rä tebewegungen<br />
im Frühjahr 1919 bereits zerschlagen worden und hatte sich<br />
die Vorarlberger Sozialdemokratie hier doch immer sehr zurückgehalten.<br />
Auch bei den Milchdemonstrationen hatten Sozialdemokraten<br />
dafür gesorgt, daß die aufgebrachten Menschen nicht der<br />
Exek uti ve ins Gehege gerieten, daß also alles geordnet ablief.<br />
Ein ganz anders gelagerter Befund kann uns jedoch bei der Beantwortung<br />
der offenen Frage weiterhelfen. In den Akten des<br />
Präsidiums der Vorarlberger Landesregierung finden sich außer<br />
dem Brief aus Weiler noch sehr viele Briefe von Vorstehern<br />
Vorarlberger Gemeinden, die alle innerhalb weniger Tage um die<br />
Mitte des Juni 1920 geschrieben wurden und sämtlich ähnlichen<br />
Inhalts sind:<br />
"Nicht nur die Gemeinde-Vertreter, sondern die ganze Einwohnerschaft<br />
hat volles Vertrauen zu den von ihr gewählten Regierungsvertretern,<br />
verurteilen aber aufs tiefste alle rechtsund<br />
ordnungswidrigen Eingriffe in die Regierungsgeschäfte, wir<br />
geben auch zugleich die Versicherung ab, im Falle der<br />
Notwendigkeit die Landesregierung mit allen zur Verfügung<br />
stehenden Mitteln zu unterstützen."<br />
So beende te Peter Längle, Gemeindevorsteher von Koblach, seinen<br />
Brief vom 12. Juni 1920. Ganz ähnlich klingen die Briefe der Vorsteher<br />
oder Bürgermeister von Mäder, Fraxern, Götzis, Viktorsberg,<br />
Klaus, Sulz, Altach und Lech (101).<br />
Es drängt sich die Frage auf, ob nicht etwa die Landesregierung<br />
hier nachgeholfen, von den Gemeindevertretungen diese Briefe<br />
erbeten hat. Eine solche Vorgangsweise hätte keineswegs der<br />
inneren Logik entbehrt, denn die Landesregierung mobilisierte so<br />
die "schweigende Mehrheit" und verschaffte sich durchaus gewichtige<br />
zusätzliche Legitimität für ein hartes Durchgreifen. Auf die<br />
kleinen Gemeinden war Verlaß: Das war schon am Palmsonntag<br />
1919 deutlich geworden, als die Christlichsozialen gegen Räte und<br />
Sozialdemokraten mobilisiert hatten. Michael Hensler dürfte also<br />
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