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christliche antimarxistische Einheitsfront" (5.3.1927), "Judengeld<br />
für die Chr istlichsozialen" ( 1. 2 .1919). Da viele führende Politiker<br />
der SDAP aus jüdischen Familien stammten, wurde hier fein<br />
säuberlich geschieden: "Der jüdische Sozia ldemokrat steht ständig<br />
auf dem Kriegsfuße mit seinem Glaubensgenossen und bekämpft<br />
eben durch die Sozialdemokratie die Gesellschaftsordnung, die dem<br />
jüdischen Kapitalisten die ungerechten Gewinne bringt"<br />
(11.1.1919) .<br />
Allerdings sind diese antisemitischen Anklänge nicht zu vergleichen<br />
mit dem Judenhaß , der in "Volksblatt" und "Tagblatt" vor<br />
allem dann auszubrechen pflegte, wenn Wahlen anstanden.<br />
"Christlich und alemannisch" beziehungsweise "deutsch" wurde zur<br />
Abgrenzung gegen östlich, jüdisch, sozialdemokratisch und von<br />
Wien abhängig/ Wien ähnlich.<br />
Im "Volksblatt" vom 15. April 1933 denkt ein Kommentator über<br />
die Aufgaben des Dollfuß-Regimes nach und kommt dabei auf die<br />
Juden zu sprechen:<br />
"Wenn irgend ein Ost jude dahergelaufen k.ommt, dann findet er<br />
natürlich bei seinem marxistischen Kollegen in Wien jederzeit<br />
offene Arme. Solche Ausländer haben sich in den letzten Jahren<br />
massenhaft in Wien niedergelassen, haben alle möglichen<br />
Geschäfte betrieben und durch oft sehr zweifelhafte Machinationen<br />
den heimischen bodenständigen Geschäftsleuten das Wasser<br />
abgegraben und ihre Existenz bedroht. Es wäre sicherlich<br />
gut, wenn auf irgend eine Weise diesem Zustand ein Ende berei<br />
tet werden könnte."<br />
Dollfuß hat "diesen Zustand" nicht beseitigt; wenige Jahre später<br />
aber wurde 65.000 österreichischen Juden "ein Ende bereitet" (90).<br />
Wie sich der Antisemitismus im politischen Alltag auswirkte, zeigt<br />
das Schicksal Samuel Spindlers. Er wurde 1882 in Maidan<br />
Sredni/Madworna in Galizien geboren und kam 1907 nach Bregenz,<br />
wo er als Schuhmacher arbeitete. Er engagierte sich in der<br />
Sozialdemokratie und wurde im Dezember 1918 in die Stadtvertretung<br />
entsandt. Am 31. Dezember jenes Jahres erhob sich im<br />
Bregenzer Stadtrat der christlichsoziale Kaufmann Albert Oelz, um<br />
zu erklären, Spindler sei als "galizianischer Jude" in diesem<br />
Gremium nicht tragbar. Spindler glaubte, sich dagegen in einem<br />
offenen Brief verteidigen zu müssen, denn er war evangelischer<br />
Christ. In der Ersten Republik wurde Samuel Spindler zu einem<br />
sozialdemokratischen Spitzenfunktionär : Stadtvertreter , Gewerkschaftssekretär<br />
der Textilarbeiter , Mitglied des Ausschusses der<br />
Vorarlberger Arbeiterkammer , Obmann des Bildungsausschusses der<br />
196