Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
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dere Bedeutung gehabt. Am 1. Mai wechselte mancherorts das<br />
Gesinde die Arbeitsstätte. Häufig war er auch der Tag des<br />
Wohnungswechsels, an dem also umgezogen wurde. Darüber hinaus<br />
hatte der 1. Mai für die vorindustrielle Volkskultur einen recht<br />
hohen Stellenwert; verschiedene Elemente regionaler Maibräuche<br />
fanden dann auch Eingang in die Arbeiterkultur , denken wir nur<br />
an den "Umzug" oder an den abendlichen Tanz (89).<br />
Ab dem 1. Mai 1890, als in den Vorarlberger Städten erstmals<br />
Handwerksgesellen nicht arbeiteten, sondern feierten, entwickelte<br />
sich eine eigene Festkultur . Der 1. Mai wurde zum Arbeiterfeiertag<br />
, den Arbeiter und Gesellen nicht nur selbst gestalteten, sondern<br />
oft auch gegen massive Repressionen, zum Beispiel Entlassungen,<br />
erkämpften. Am 1. Mai hielt die Sozialdemokratie aber<br />
auch "Heerschau": Jeder konnte sehen, wieviele Menschen sich<br />
unter der roten Fahne sammelten. Diese doppelte Bedeutung<br />
kennzeichnete die Feiern am 1. Mai: Einmal war er Festtag der<br />
Arbeiter, ein Tag, an dem alle Formen der Arbeiterkultur präsentiert<br />
wurden, zum anderen war es ein Tag der "Heerschau", ein<br />
Tag der Bilanz, an dem die Stärke der sozialistischen Arbeiterbewegung<br />
augenfällig wurde.<br />
In der Ersten Republik war der 1. Mai erstmals offizieller Feiertag,<br />
an dem die Arbeiterschaft relativ unbehindert feiern konnte.<br />
1925 allerdings untersagten die Behörden Kindern die Teilnahme<br />
an den Maiaufmärschen . Das bedeutete, daß die "Kinderfreunde"<br />
nicht mehr mitmarschieren durften und die Sozialdemokratie<br />
während des Aufmarsches eigene Kinderfeiern , in Bregenz zum<br />
Beispiel in den Seeanlagen, organisierte (90). Und 1933, als in<br />
Österreich Dollfuß mit dem Ausbau der Notverordnungsdiktatur begann,<br />
durfte am 1. Mai nicht mehr gefeiert werden - ein Verbot,<br />
das die Sozialdemokraten aber noch einmal und, wie wir sehen<br />
werden, recht erfolgreich unterliefen.<br />
In den Jahren 1919 bis 1932 gab es am 1. Mai jeweils in Bregenz,<br />
Dornbirn, Feldkirch und Bludenz Aufmärsche. In anderen Gemeinden,<br />
so in Hard, Lustenau, Höchst, Rankweil , Nüziders und<br />
Altach/Mäder, fanden am Vorabend eigene Feiern statt; am 1. Mai<br />
selbst zogen die Sozialdemokraten in die nächste Stadt und<br />
nahmen dort am Aufmarsch teil.<br />
Die Bregenzer feierten traditionell mit den Lindauern. Nur während<br />
des 1. Weltkrieges waren Maifeiern nicht möglich gewesen;<br />
1919 hatten die Behörden die Grenze gesperrt - man fürchtete den<br />
Lindauer Spartakismus (91)!<br />
Am 1. Mai 1920 jedoch trafen mit dem Schiff um 7.45 Uhr morgens<br />
wieder Lindauer in Bregenz ein: 56 Genossen, die von etwa<br />
56