Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
allem behindert worden, weil Arbeiter das Spullerseewerk, das<br />
den Bahnstrom lieferte, abgeschaltet hatten. Als Elektriker im<br />
Schutz einer Gendarmerieeinheit das Kraftwerk wieder in Gang<br />
brachten, blieb plötzlich das Wasser aus: Arbeiter hatten den<br />
Schieber am Spullersee geschlossen. Darauf mußten aus Innsbruck<br />
zwei Ingenieure mit einer Motordraisine anreisen und zum Spullersee<br />
hinaufsteigen - das dauerte bis Dienstag in der Früh. Es<br />
stellte sich jedoch bereits am Montag heraus, daß der im Netz<br />
vorhandene Strom auch ohne Spullerseekraftwerk für einen Bahnnotverkehr<br />
ausreichte. Da sich auch ausreichend Streikbrecher<br />
fanden, fuhren im Bereich des Bahnhofs Bludenz die Züge bereits<br />
wieder am Nachmittag des Montag, einen halben Tag vor dem<br />
offiziellen Streikende.<br />
Auch der Bludenzer Bahnhof war durch eine Bundesheereinheit<br />
besetzt worden: 25 Mann waren mit einem Lastauto aus Bregenz<br />
gekommen und hatten ein Maschinengewehr aufgebaut. Bei Streikende<br />
kam es in Bludenz noch zu einem Konflikt zwischen<br />
Streikleitung und Behörde, der deutlich zeigt, rl daß es den Behörden<br />
vor allem darum ging, den Sozialdemokraten zu zeigen, wer<br />
in diesem Land das Sagen hat. Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete'<br />
und Arbeiterkammerpräsident Wilhelm Sieß hatte in<br />
Bludenz als Streikleiter erklärt, die Eisenbahner würden erst das<br />
Bahnhofsgelände betreten und den Dienst wieder aufnehmen, wenn<br />
das Militär abgezogen sei. Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz<br />
berief sich auf eine Anweisung der Landesregierung, in der es<br />
hieß, das Bundesheer sei abzuziehen, sobald der Streik beendet<br />
sei und die Eisenbahner den Dienst antreten, und bestand auf<br />
Dienstantritt vor Abzug der Soldaten. Nach mehrstündigen<br />
Verhandlungen wurde ein sieben Punkte umfassendes Übereinkommen<br />
geschlossen, ohne daß die Behörden von ihrem Standpunkt<br />
abgerückt wären - zuerst wurde der Dienst aufgenommen, dann<br />
das Militär abgezogen.<br />
Man hatte Härte demonstriert; Landeshauptmann Ender hatte "die<br />
gesamte heimattreue Bevölkerung" gegen die Sozialdemokraten aufgerufen,<br />
den Heimatdienst mobilisiert, Militär und Maschinengewehre<br />
auffahren lassen, als brenne der Justizpalast mitten in<br />
Vorarlberg. Ender wollte öffentlich demonstrieren, wie mächtig die<br />
Ordnungskräfte sind, und was für ein lächerliches Häuflein die<br />
Sozialdemokraten. Denen wurde nicht einmal gestattet, das Gesicht<br />
zu wahren.<br />
Die Sozialdemokraten hatten verstanden. Die "Vorarlberger Wacht"<br />
berichtete erst am 28. Juli, und dann kleinlaut auf den Seiten<br />
vier und fünf. Besonders herausgestrichen wurde die Unverhält-<br />
218