Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Zwischen Kaiser u Führer-ocr_verr.pdf - Johann-August-Malin ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Politik der in Bund und Land regierenden Christlichsozialen<br />
zusammenhängen, die - wie noch klar ersichtlich werden wird -<br />
immer stärkeren Druck auf gewerkschaftlich engagierte Eisenbahner<br />
ausübten. Die immer offenere Aufrüstung der Konservativen,<br />
der immer heftigere Einsatz von Gendarmerie und Heimwehr<br />
schwächte die Arbeiterbewegung.<br />
In den letzten Jahren vor dem Ende der Republik, also etwa ab<br />
1929, hat sich sicher auch die bedrohlich steigende Arbeitslosigkeit<br />
ausgewirkt und einige davor abgeschreckt, sich zu exponieren.<br />
Jedoch ist sowohl mit dieser allgemeinen Bemerkung als auch<br />
mit den bisherigen Analysen die Schwäche der Vorarlberger<br />
Arbeiterbewegung am Ende der Ersten Republik nicht geklärt.<br />
Denn die Mitgliederzahlen schrumpften nicht nur gegen Ende,<br />
sondern besonders stark auch während der ersten Jahre der<br />
Republik. Wenn man aber bedenkt, daß die Gewerkschaftsbewegung<br />
in Vorarlberg vor dem Ersten Weltkrieg extrem schwach entwickelt<br />
war - 1910 überschritt die Christliche Textilarbeitergewerkschaft<br />
mit 622 Mitgliedern ihren Höhepunkt, und 1908 hatten die Freien<br />
Gewerkschaften mit insgesamt 1. 602 Mitgliedern ihr bestes<br />
Jahr (84) dann stellt sich die Frage anders. Es ist dann<br />
weniger verwunderlich, daß am Ende der Republik so wenige<br />
Arbeiter organisiert waren, sondern vielmehr , daß am Anfang die<br />
Gewerkschaftsbewegung derartig stark wurde.<br />
Nach dem Ende des Krieges und dem Zusammenbruch der Monarchie<br />
war offenbar ein Hoffnungsstrom auf die Sozialdemokratie zugekommen.<br />
Das war nicht ein Ergebnis grundlegender sozialer<br />
Veränderungen, sondern der politischen Atmosphäre. Da waren<br />
kaum einlösbare Erwartungen auf eine menschenwürdige Zukunft,<br />
auf Selbstbestimmung und direkte politische Teilhabe.<br />
Die daraus entstehenden Probleme wurden von der Gewerkschaftsspitze<br />
zum Teil erkannt. So führte ein Redner vor dem 2. österreichischen<br />
Gewerkschaftskongreß in Wien 1923 aus:<br />
"Die Massen sind mit großen Illusionen zu uns gekommen und<br />
beginnen nun, wenigstens an den Randgebieten, das Vertrauen<br />
in die eigene Kraft wieder zu verlieren. . .. Daraus entsteht<br />
für die Gewerkschaften die pädagogische Aufgabe, dieses Vertrauen<br />
wieder zu festigen. Das ist vor allem eine Aufgabe des<br />
Bildungswesens" (85).<br />
Aus dieser Konstellation entwickelte sich die widersprüchliche<br />
Politik des Austromarxismus. Die Bildungspolitik und die Kulturorganisationen<br />
sollten die Hoffnungen wachhalten und das<br />
Vertrauen in die Sozialdemokratie festigen; andererseits waren<br />
infolge der realen innen- und außenpolitischen Situation wenn<br />
117