Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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8 Die Aufgabe e<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong><br />
darum aber umso wirksameren Führerschaft im Ganzen der<br />
menschlichen Geme<strong>in</strong>schaft ausbildet, bestimmt den Augenblick<br />
unseres jetzigen Dase<strong>in</strong>s.<br />
Wissenschaft und Führerschaft, beide <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser E<strong>in</strong>heit, s<strong>in</strong>d<br />
demnach <strong>die</strong> Mächte, unter <strong>die</strong> jetzt unser Dase<strong>in</strong> - wenn es<br />
überhaupt irgende<strong>in</strong>e Helle hat - gestellt ist, nicht im S<strong>in</strong>ne<br />
e<strong>in</strong>er flüchtigen Episode, sondern als e<strong>in</strong> ~lniI).aliges Stadium,<br />
das <strong>die</strong> E<strong>in</strong>zigkeit unseres Dase<strong>in</strong>s wesentlich besTImmt. Wenn<br />
wir <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>in</strong> unserem Dase<strong>in</strong> hier und jetzt frei werden<br />
lassen wollen und wenn es <strong>die</strong> Aufgabe des E<strong>in</strong>leitens ist,<br />
das <strong>Philosophie</strong>ren <strong>in</strong> Gang zu br<strong>in</strong>gen, dann werden wir auch<br />
aus <strong>die</strong>ser Situation heraus e<strong>in</strong> gewisses Verständnis dessen gew<strong>in</strong>nen,<br />
was <strong>Philosophie</strong> besagt. Dieses Vorverständnis, das wir<br />
zunächst benötigen, müssen wir aus e<strong>in</strong>er Aufhellung des Wesens<br />
der <strong>Philosophie</strong> <strong>in</strong> ihrem Verhältnis zu Wissenschaft und<br />
Führerschaft schöpfen.<br />
Führerschaft bestimmt den Beruf Ihres Dase<strong>in</strong>s, schon e<strong>in</strong>zig<br />
deshalb, weil Sie jetzt an der Universität existieren. Führerschaft<br />
bedeutet aber hier: das Verfügen über höhere und reichere<br />
Möglichkeiten menschlicher Existenz, <strong>die</strong> den anderen nicht<br />
aufgedrängt, wohl aber unaufdr<strong>in</strong>glich und so e<strong>in</strong>zig wirksam<br />
vor-gelebt werden. Diese verborgene Vorbildlichkeit echter<br />
Führerschaft bedarf aber ihrer eigenen Klarheit und Sicherheit,<br />
d. h. das Dase<strong>in</strong> bedarf selbst e<strong>in</strong>er ständig sich erneuernden<br />
Bes<strong>in</strong>nung auf <strong>die</strong> Grundstellungen des Dase<strong>in</strong>s zum Ganzen<br />
des Seienden, e<strong>in</strong>e Bes<strong>in</strong>nung aber, <strong>die</strong> sich unmittelbar aus der<br />
jeweiligen geschichtlichen Lage des Dase<strong>in</strong>s bestimmt und <strong>in</strong><br />
sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> sich auswirkt. Was so <strong>in</strong> der Führerschaft - freilich<br />
nicht nur <strong>in</strong> ihr - liegt, nennen wir Welt-anschauung.<br />
So besagt <strong>die</strong> Aufgabe, e<strong>in</strong> Vorverständnis von <strong>Philosophie</strong><br />
aus den jetzt unser Dase<strong>in</strong> bestimmenden Mächten zu gew<strong>in</strong>nen,<br />
nichts anderes als <strong>die</strong> Frage zu stellen: Wie verhält sich<br />
<strong>Philosophie</strong> zu Führerschaft, Weltanschauung und Wissenschaft?<br />
§ 4. Wie verhält sich <strong>Philosophie</strong> zu Wissenschaft,<br />
Weltanschauung und Geschichte?<br />
Wir werden im besonderen zu fragen haben: Ist <strong>Philosophie</strong><br />
e<strong>in</strong>e Wissenschaft unter anderen Wissenschaften oder ist sie <strong>die</strong><br />
»allgeme<strong>in</strong>e« Wissenschaft im Unterschied zu den E<strong>in</strong>zelwissenschaften<br />
oder ist sie <strong>die</strong> »Grundwissenschaft« gegenüber den<br />
abgeleiteten Wissenschaften oder ist sie überhaupt ke<strong>in</strong>e Wissenschaft,<br />
d. h. <strong>in</strong> ihrem Wesen gar nicht zu treffen, wenn sie<br />
unter dem allgeme<strong>in</strong>en Begriff Wissenschaft untergebracht<br />
und e<strong>in</strong>geordnet wird?<br />
Entsprechend werden wir bezüglich <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung<br />
zu fragen haben: Ist es Aufgabe der <strong>Philosophie</strong>,<br />
e<strong>in</strong>e Weltanschauung auszubilden, ist sie <strong>die</strong> Lehre von solchen<br />
oder hat sie primär mit Welt-bildung nichts zu schaffen? Beruht<br />
<strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> auf e<strong>in</strong>er Weltanschauung, oder ist <strong>die</strong>ser Zusammenhang<br />
überhaupt nicht entscheidend?<br />
Schließlich nehmen wir beide Fragegruppen zusammen: Ist<br />
<strong>Philosophie</strong> entweder Wissenschaft oder Weltanschauung, oder<br />
ist <strong>Philosophie</strong> sowohl Wissenschaft als auch Weltanschauung,<br />
oder ist <strong>Philosophie</strong> weder Wissenschaft noch Weltanschauung?<br />
Aber all <strong>die</strong>se Fragen über das Verhältnis von <strong>Philosophie</strong> und<br />
Wissenschaft, <strong>Philosophie</strong> und Weltanschauung, Wissenschaft<br />
und Weltanschauung wollen wir nicht so erörtern, daß wir<br />
gleichsam feste Größen gegene<strong>in</strong>ander halten - wir wissen ja<br />
noch gar nicht, was <strong>Philosophie</strong> ist. Vielmehr fragen wir, ausgehend<br />
von den bestimmenden Mächten Wissenschaft und<br />
Weltanschauung, was sie selbst besagen, warum gerade zu ihnen<br />
<strong>Philosophie</strong> <strong>in</strong> Beziehung gebracht wird und mit welchem<br />
Recht. So gew<strong>in</strong>nen wir e<strong>in</strong> erstes Vorverständnis der <strong>Philosophie</strong><br />
aus den uns bestimmenden Mächten, d. h. im Rückgang<br />
auf unser Dase<strong>in</strong> selbst.<br />
In <strong>die</strong>sen Erörterungen, <strong>die</strong> zugleich <strong>die</strong> Situation unseres<br />
jetzigen Dase<strong>in</strong>s <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Grundzügen durchsichtig machen<br />
sollen, werden wir durchgängig auf e<strong>in</strong>en Zusammenhang sto-