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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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118 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />

von anderen, 2. unbehelligt durch andere, 3. unbedürftig der<br />

anderen. Das besagt: im Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong> Ohnee<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>;<br />

das Ohnee<strong>in</strong>ander aber ist e<strong>in</strong> spezifisches Mite<strong>in</strong>andetse<strong>in</strong>.<br />

Demnach ist auch jedes Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>, und<br />

Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> ist dann nicht gleichbedeutend mit faktischem<br />

Auch-Dase<strong>in</strong> von anderen.<br />

Dann bricht aber <strong>die</strong> ganze vorherige Betrachtung <strong>in</strong> sich<br />

zusammen, und ihr Ergebnis ist nichtig. Das Ergebnis formulierten<br />

wir so: Das Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> ist nicht konstitutiv für das Se<strong>in</strong><br />

bei Vorhandenem, d. h. <strong>die</strong> Art und Weise, wie Unverborgenheit<br />

von Vorhandenem dem Dase<strong>in</strong> zugehört, ist nicht notwendig e<strong>in</strong><br />

Sichteilen <strong>in</strong> Wahrheit. Jetzt aber ergibt sich: Wenn Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong><br />

qua Ohnee<strong>in</strong>ander wesenhaft e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> ist, dann liegt<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alle<strong>in</strong>igen Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>.<br />

Das heißt dann aber: Die Art und Weise, wie Unverborgenheit<br />

von Vorhandenem (Wahrheit) zum Dase<strong>in</strong> gehört, ist<br />

notwendig und wesenhaft e<strong>in</strong> Sichteilen <strong>in</strong> Wahrheit.<br />

Jedes Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem, auch das alle<strong>in</strong>ige, ist e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>.<br />

Das Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem ist demnach nicht<br />

e<strong>in</strong>e isolierte Möglichkeit, <strong>in</strong> der das Dase<strong>in</strong> existiert, und das<br />

Mite<strong>in</strong>derse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere, sondern jedes Se<strong>in</strong> bei ... ist Mit<br />

e<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>. Umgekehrt ist jedes Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em We<br />

sen nach e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem. Das letztere ist nicht<br />

m<strong>in</strong>der wesentlich als das erstere. Im Wesen des Dase<strong>in</strong>s haben<br />

Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem und Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Vorrang vor<br />

e<strong>in</strong>ander. Beide gehören notwendig zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s; SIe<br />

s<strong>in</strong>d gleichursprünglich.<br />

Aus der These, daß das Se<strong>in</strong> bei ... wie das Mite<strong>in</strong>ander<br />

wesenhaft zum Dase<strong>in</strong> gehört, ob es alle<strong>in</strong> ist oder faktisch mit<br />

anderen, sehen wir, daß der Begriff der Subjektivität oder der<br />

Begriff des Dase<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>e eigentümliche Fülle <strong>in</strong> sich schließt<br />

und daß man sich hüten muß, den Begriff des Dase<strong>in</strong>s oder des<br />

Subjekts zu unbestimmt, ja zu unterbestimmt zu nehmen. Das<br />

ist der Grundmangel der Entwicklung des Subjektbegriffs seit<br />

Descartes. Mit ihm beg<strong>in</strong>nt eigentlich das Verhängnis der neu-<br />

§ 14. Tellen <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unverborgenheit des Seienden 119<br />

zeitlichen <strong>Philosophie</strong>, weil bei ihm das ego, das Ich derart<br />

verarmt, daß es überhaupt ke<strong>in</strong> Subjekt mehr ist. Ego sum ist<br />

bel Descartes ohne Se<strong>in</strong> bei ... , ohne Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>. Von Descartes<br />

wurde danach nicht e<strong>in</strong>mal grundsätzlich gefragt, auch<br />

DIcht danach, wie <strong>die</strong>ses ego ist, was <strong>die</strong>ses sum im ego sum<br />

gegenüber dem Se<strong>in</strong>, etwa der res extensa, bedeutet. Dieser<br />

Begriff des Ich ist von vornhere<strong>in</strong> gewissermaßen beschnitten.<br />

Gleichwohl hat Descartes das .ver<strong>die</strong>nst, nach dem Subjekt gefragt<br />

zu haben, während <strong>die</strong> Zeit davor zwar allerlei Bestimmungen<br />

über das Subjekt, den Menschen, aufgefunden hat, <strong>die</strong><br />

slch aber mehr darauf konzentrieren, gewisse Grundverhaltungsweisen<br />

des Subjekts, <strong>die</strong> sogenannten Seelenvermögen,<br />

herauszustellen.<br />

Das Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem ist als je faktisches nicht notwendlg<br />

e<strong>in</strong> faktisches Mitse<strong>in</strong> mit faktisch anwesenden Anderen;<br />

glelchwohl ist das Se<strong>in</strong> bei Vorhandenem se<strong>in</strong>em Wesen nach<br />

em Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>. Daraus erhellt: Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> besagt<br />

nicht faktisches Existieren zusammen mit faktisch anwesenden<br />

Anderen. Das Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> kommt e<strong>in</strong>em Dase<strong>in</strong> nicht erst<br />

dadurch zu, daß andere sich faktisch e<strong>in</strong>f<strong>in</strong>den, sondern jedes<br />

Dase<strong>in</strong> qua Dase<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Se<strong>in</strong> als Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> bestlmmt,<br />

und deshalb und nur deshalb kann es auch alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong>;<br />

d. h. wenn eben faktisch Andere nicht da s<strong>in</strong>d, ist das Dase<strong>in</strong><br />

wesensmäßig nicht nur noch e<strong>in</strong>es, sondern alle<strong>in</strong>. Wenn Mite<strong>in</strong>ander<br />

e<strong>in</strong> wesenhaftes Wie des Dase<strong>in</strong>s ist und <strong>die</strong>sem nicht<br />

nur bed<strong>in</strong>gungsweise zukommt, dann ist jedes e<strong>in</strong>zelne und<br />

vere<strong>in</strong>zelte Dase<strong>in</strong> immer noch <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Wie und zwar im<br />

Modus des Alle<strong>in</strong>.<br />

Es ist der Grundfehler des Solipsismus, daß er vergißt, bei<br />

dem solus ipse wirklich ernst zu machen, daß nämlich jedes »Ich<br />

alle<strong>in</strong>« als alle<strong>in</strong>iges schon wesentlich e<strong>in</strong> Mite<strong>in</strong>ander ist. Nur<br />

weIl das Ich schon mit anderen ist, kann es e<strong>in</strong>en anderen verstehen.<br />

Aber es ist nicht so, daß das Ich zunächst ohne <strong>die</strong><br />

anderen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges wäre und dann auf irgende<strong>in</strong>em rätselhaften<br />

Weg zum Mite<strong>in</strong>ander käme.

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