Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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320 Weltanschauung und In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />
griffes, nicht nur <strong>in</strong> der besonderen Form des Aufklärungszeitalters.<br />
Die Hartnäckigkeit <strong>die</strong>ses Problemansatzes zeigt sich ~vor allem<br />
aber dar<strong>in</strong>, daß, wenn man schon <strong>die</strong>se Herrschaft der<br />
Vernunft <strong>in</strong> der Vernunft stürzen will, dem Rationalismus es<br />
höchstens reicht zu e<strong>in</strong>em Irrationalismus, d. h. zu e<strong>in</strong>er Position,<br />
<strong>die</strong> mit der ersten das Fundament teilt. Ir-rationalismus: <strong>die</strong>ser<br />
lebt nur von jenem, ist <strong>in</strong> allem, was begriffliche Interpretation<br />
der Bestimmung ausmacht, bei jenem zu Gast. Gewonnen ist gar<br />
nichts, nur größerer Vorrang und mehr Sche<strong>in</strong>; denn es sieht nur<br />
so aus, als sei man nunmehr dem, was <strong>die</strong> Rationalität nicht zu<br />
fassen bekommt, gerecht geworden. Andererseits hat der Rationalismus<br />
erneut den Vorteil, für sich <strong>die</strong> Klarheit des Begriffes <strong>in</strong><br />
Anspruch zu nehmen gegenüber dem Dunstkreis dessen, was<br />
man »Lebensphilosophie« nennt. So wird auch <strong>die</strong> spontane<br />
Reaktion gegen den Versuch, das Se<strong>in</strong>sproblem und <strong>die</strong>Transzendenz<br />
überhaupt <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Spiel zu gründen, <strong>die</strong> se<strong>in</strong>, daß man dar<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Irrationalismus sieht bzw. befürchtet. Damit wäre freilich<br />
e<strong>in</strong>e bequeme Etikette gefunden, aber mehr auch nicht.<br />
Doch wird man sagen: Warum denn <strong>die</strong> Metaphysik nicht <strong>in</strong><br />
der sicheren und bestimmten Hut der Logik belassen? Wozu<br />
denn der Kampf gegen den Rationalismus, wo er doch der Geschichte<br />
der Metaphysik so große Antriebe gegeben hat?<br />
Alle<strong>in</strong>, es geht ja nicht um den Kampf gegen den Rationalismus,<br />
sowenig wie um e<strong>in</strong>e Parteigängerschaft mit dem Irrationalismus,<br />
sondern alle<strong>in</strong> um <strong>die</strong> Ermöglichung e<strong>in</strong>er radikaleren<br />
Interpretation der Transzendenz, des Se<strong>in</strong>sverständnisses,<br />
angesichts dessen, daß der Myor; nur auslegende und bestimmende<br />
Funktion hat, was nicht heißt, daß er im Problem des<br />
Se<strong>in</strong>s überhaupt ke<strong>in</strong>e Rolle hätte.<br />
Es gilt zu sehen, daß Se<strong>in</strong>sverständnis vor allem logischen<br />
Aussagen und Bestimmen liegt und auch <strong>die</strong>ses erst ermöglicht.<br />
Wir müssen fragen, was das ist, was wir mit Se<strong>in</strong>sverständnis<br />
me<strong>in</strong>en. Zwar wurde schon mancherlei und Wichtiges darüber<br />
gesagt (vgl. I. Weg: Entwürfe der.Se<strong>in</strong>sverfassung, Grundbegrif-<br />
§ J6. Welt als »Spiel des Lebens« 321<br />
fe). Auch wurde schon darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß Se<strong>in</strong>sverständnis<br />
offenbar e<strong>in</strong> Urfaktum des Dase<strong>in</strong>s ist, daß es nur auf <strong>die</strong>sem<br />
Grunde zu Seiendem sich verhalten kann. Und doch will <strong>die</strong>ses<br />
nicht genügen, auch nicht, wenn wir uns daran machen, Se<strong>in</strong>sbestimmungen<br />
wirklich aufzuzeigen. Das ist schon <strong>in</strong> historischen<br />
Er<strong>in</strong>nerungen möglich: Ideenlehre. Aber gerade hier e<strong>in</strong><br />
F<strong>in</strong>gerzeig: Zwar ist es verhältnismäßig leicht, wenn e<strong>in</strong>mal<br />
gezeigt, das Wasse<strong>in</strong> von etwas zu denken als das, von dem her<br />
sich jedes e<strong>in</strong>zelne Dieses da bestimmt. Diese erstmalige große<br />
E<strong>in</strong>sicht, <strong>die</strong> wir nie abschwächen dürfen dadurch, daß sie uns<br />
allzu bekannt zu werden droht, drängt auch schon das Problem<br />
<strong>in</strong> Sackgassen. Die E<strong>in</strong>sicht war zu fasz<strong>in</strong>ierend, um ursprünglich<br />
weiter zu drängen: XWQLU!lOr;, !lEi}E~Lr;, ÖvtWr; öv.<br />
Der Überschritt wurde <strong>in</strong> der elementaren E<strong>in</strong>fachheit des<br />
ersten Sehens vollzogen, ohne sich des Ausgangs h<strong>in</strong>reichend zu<br />
versichern. Sofern künftig das Resultat das Beherrschende<br />
bleibt, wurde nur beiläufig und meist gar nicht der Schritt noch<br />
e<strong>in</strong>mal zurück gewagt, um ihn <strong>in</strong> größerer Helle und Weite<br />
erneut zu vollziehen. Man folgte dem im Se<strong>in</strong>sverständnis liegenden<br />
Überstieg über das Seiende, ohne <strong>die</strong> Möglichkeit zu<br />
haben, <strong>die</strong>ses Seiende zuvor so weit und unverdeckt bereitzuhalten,<br />
daß der Überschritt mit Bezug auf es <strong>in</strong> der ganzen Weite<br />
und' Mannigfaltigkeit vollzogen werden konnte. Im Verfolg des<br />
t'berstiegs und fasz<strong>in</strong>iert von der Sicht auf das Se<strong>in</strong> (Ideen)<br />
wurde das Seiende sogar herabgedrückt zum bloßen Sprungbrett,<br />
das !ltl öv. (Wenngleich auch hier e<strong>in</strong>e Wendung bei<br />
Platon, kam sie nicht zur Auswirkung.)<br />
Das Se<strong>in</strong>sverständnis wurde aus e<strong>in</strong>em bestimmten undifferenzierten<br />
Ansatz und <strong>in</strong> bestimmter Richtung <strong>in</strong> den Begriff<br />
gedrängt, und ohne daß es selbst h<strong>in</strong>reichend aufgehellt war, als<br />
das, was da im Ganzen begriffen werden sollte, ohne daß vor<br />
allem derjenige Boden gesichert war, <strong>in</strong> dem es als solches gewachsen.<br />
Daher kam über e<strong>in</strong>e bloße Ortsangabe ('l'UXt't) und <strong>die</strong><br />
besagte logische Charakteristik nichts heraus. Sokrates ist freilich<br />
nicht der »Erf<strong>in</strong>der« des Begriffes und der Def<strong>in</strong>ition.