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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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70 Wahrheit und Se<strong>in</strong><br />

Daß nun <strong>die</strong>se Theorien und <strong>die</strong> formallogische Argumentation<br />

immer den Vorrang gew<strong>in</strong>nen über das, was unmittelbar<br />

aufzunehmen und zu fassen ist, liegt daran, daß alle philosophischen<br />

Theorien <strong>in</strong> dem Moment, <strong>in</strong> dem sie sich ausbilden,<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en weiteren Zusammenhang mit anderen Theorien h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geraten<br />

und dadurch das System im schlechten S<strong>in</strong>ne sich<br />

verfestigt. Dazu kommt, daß durch unheilvollen E<strong>in</strong>fluß und<br />

schlechte Nachahmung der Wissenschaften merkwürdigerweise<br />

<strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> das Bestreben hat, nur dasjenige als E<strong>in</strong>sicht<br />

gelten zu lassen, was auf irgende<strong>in</strong>em argumentativen Wege<br />

rational bewiesen ist, so daß man <strong>die</strong> Instanz e<strong>in</strong>er unmittelbaren<br />

Anschauung <strong>in</strong> ihrer Unmittelbarkeit nicht mehr sieht.<br />

Es gilt, <strong>die</strong> Anstrengung darauf zu konzentrieren, das, was<br />

sich zeigt, das Phänomen, wirklich fest- und durchzuhalten, je<br />

e<strong>in</strong>facher, um so nachhaltiger; nur so entwickelt das Phänomen<br />

<strong>die</strong> ganze Schärfe der dar<strong>in</strong> verborgenen Probleme. Denn ebenso<br />

wesentlich wie <strong>die</strong> Anstrengung des ersten Festnehmens des<br />

Phänomens ist <strong>die</strong> E<strong>in</strong>sicht, daß damit nicht schon <strong>die</strong> Lösung<br />

e<strong>in</strong>es Problems gewonnen ist, ja nicht e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong>e Stellung und<br />

Ausarbeitung. So verhängnisvoll wie <strong>die</strong> Unterschätzung e<strong>in</strong>er<br />

solchen ersten Feststellung und Festnahme ist auch <strong>die</strong> Überschätzung<br />

e<strong>in</strong>er bloßen Beschreibung. Gerade <strong>die</strong>se unheilvolle<br />

Me<strong>in</strong>ung macht sich <strong>in</strong>nerhalb der Phänomenologie geltend,<br />

wo man zwar auf <strong>die</strong> unmittelbare Aufweisung der D<strong>in</strong>ge<br />

drängt, <strong>in</strong>dem man me<strong>in</strong>t, wenn man nur alles beschrieben hat,<br />

wie <strong>die</strong> D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d, sei alles gut. Aber damit ist nichts gewonnen,<br />

nur der Irrtum vorbereitet, als sei <strong>Philosophie</strong> Botanik.<br />

a) Rückgang h<strong>in</strong>ter <strong>die</strong> Subjekt-Objekt-Beziehung:<br />

das Se<strong>in</strong> bei . . .<br />

Wenn wir betonen: Dem Aussagen liegt schon e<strong>in</strong> Se<strong>in</strong> bei .. .<br />

zugrunde, dann erhebt sich <strong>die</strong> Frage, wie ist <strong>die</strong>ses Se<strong>in</strong> bei .. .<br />

h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Möglichkeit aufzuklären. Se<strong>in</strong><br />

bei ... , Aufenthalt bei ... kennzeichnet zunächst e<strong>in</strong>e Art und<br />

§ 12. Das ursprüngliche Wesen der Wahrheit 71<br />

VVeise, 'gemäß der wir, <strong>die</strong> Menschen, s<strong>in</strong>d. Das Seiende, das<br />

jeder von uns selbst ist, als Mensch, nennen wir das menschliche<br />

Dase<strong>in</strong> oder kurz Dase<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en Grundcharakter der Art und<br />

Weise, wie das Dase<strong>in</strong> ist, nennen wir Existenz.! Dase<strong>in</strong> existiert,<br />

und nur es. Nur der Mensch hat Existenz. Existenz ist auch hier<br />

noch zweideutig: 1. Se<strong>in</strong>sweise überhaupt für Dase<strong>in</strong>, 2. und<br />

<strong>die</strong>ses, weil <strong>die</strong> <strong>in</strong> verschiedenen H<strong>in</strong>sichten führende nicht <strong>die</strong><br />

e<strong>in</strong>zige ist, sondern mit anderen zugleich.<br />

Das heißt nicht, daß anderes Seiendes nicht wirklich wäre,<br />

sondern nur, <strong>die</strong> Weise zu se<strong>in</strong> ist bei anderem Seienden e<strong>in</strong>e<br />

von Grund aus andere. Tiere und Pflanzen leben; materielle<br />

D<strong>in</strong>ge, »Natur« <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz bestimmten S<strong>in</strong>ne, s<strong>in</strong>d vorhanden,<br />

Gebrauchsd<strong>in</strong>ge zuhanden. Term<strong>in</strong>ologisch ergibt sich das<br />

Paradoxe, daß der Mensch nicht lebt, sondern existiert, wobei<br />

sich freilich bei genauerer Interpretation der Existenz zeigt, daß<br />

der Mensch zwar nicht »auch noch« lebt, sondern daß das, was<br />

<strong>die</strong> Se<strong>in</strong>sart des Tieres und der Pflanze ausmacht, als Leben<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Existenz des Menschen, sofern er e<strong>in</strong>en Leib hat,<br />

e<strong>in</strong>en ganz anderen und eigenen S<strong>in</strong>n bekommt. Im Unterschied<br />

von der Se<strong>in</strong>sart der D<strong>in</strong>ge, wie etwa Ste<strong>in</strong>e oder Geröll,<br />

haben' nun D<strong>in</strong>ge wie Kreide, Schwamm, Tafel, Tür, Fenster<br />

noch e<strong>in</strong>e ganz andere Art zu se<strong>in</strong>, <strong>die</strong> wir als das Zuhandense<strong>in</strong><br />

derselben bezeichnen. Ferner gibt es dergleichen wie Raum und<br />

Zahl, <strong>die</strong> auch nicht nichts s<strong>in</strong>d, und sofern sie etwas s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d<br />

sie; von ihnen sagen wir, daß sie bestehen; sie haben Bestand. So<br />

können wir mit Rücksicht auf <strong>die</strong>se verschiedenen Arten des<br />

Se<strong>in</strong>s des Seienden scheiden: das Existierende: <strong>die</strong> Menschen;<br />

das Lebende: Pflanzen, Tiere; das Vorhandene: <strong>die</strong> materiellen<br />

D<strong>in</strong>ge; das Zuhandene: <strong>die</strong> Gebrauchsd<strong>in</strong>ge im weitesten S<strong>in</strong>ne;<br />

1 Deus - essentia - existentia. - Zum Wesen Gottes gehört existentia (Wirkhrhkeit);<br />

er ist se<strong>in</strong>em Wesen nach dasjenige, was nicht nicht se<strong>in</strong> kann. Se<strong>in</strong><br />

Wesen: ens realissimum. Würde Gott nicht wirklich se<strong>in</strong>, so fehlte ihm etwas;<br />

da Ihm nichts fehlen kann, muß er existieren. Ontologischer Gottesbeweis,<br />

d. h. der Beweis der Wirklichkeit aus der Se<strong>in</strong>sverfassung, dem Wesen. Kritik<br />

bPl Thomas, Kant, Schell<strong>in</strong>g.

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