Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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224 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />
Wirkliches <strong>Philosophie</strong>ren kann se<strong>in</strong>em Wesen nach nie überholt<br />
werden, sondern muß selbst immer neu wiederholt werden.<br />
Wo und wann wirkliches <strong>Philosophie</strong>ren geschieht, kommt es<br />
von selbst direkt <strong>in</strong> das Gespräch mit der geschichtlichen Vergangenheit<br />
der <strong>Philosophie</strong> und sieht dann, daß es <strong>in</strong> der<br />
<strong>Philosophie</strong> ke<strong>in</strong>e Neuigkeit, daher aber auch nichts Veraltetes<br />
geben kann; es steht jenseits von Alt und Neu. Es galt daher,<br />
kurz aus dem entscheidenden Anfang der <strong>Philosophie</strong>, Platon<br />
und Aristoteles, zu verdeutlichen, daß <strong>die</strong> Frage nach dem Begriff<br />
des Se<strong>in</strong>s <strong>die</strong> zentrale der <strong>Philosophie</strong> ist - 1:L 1:0 OV - und daß<br />
es zum Wesen des Dase<strong>in</strong>s (Seele) gehört, Se<strong>in</strong> zu verstehen-1]<br />
'ljJuXTJ 1:f{}EaLm 1:(1 OVLa, - und daß nur deshalb faktische Existenz<br />
des Dase<strong>in</strong>s möglich ist. Allerd<strong>in</strong>gs wird <strong>die</strong> Geschichte nur zum<br />
Reden gebracht, wenn man nicht nachredet, d.h. sich dogmatisch<br />
auf e<strong>in</strong>e frühere <strong>Philosophie</strong> e<strong>in</strong>fach beruft, sei es Aristoteles<br />
oder Kant; <strong>die</strong> Geschichte gibt nur das Wesentliche wieder,<br />
wenn sie durch lebendiges <strong>Philosophie</strong>ren selbst zum Mitphilosophieren<br />
gebracht wird.<br />
Durch <strong>die</strong> Erörterung des Verhältnisses von Wissenschaft und<br />
<strong>Philosophie</strong> ist <strong>die</strong>se noch nicht ausdrücklich im Ganzen bestimmt,<br />
sondern nur soweit sie zur Wissenschaft <strong>in</strong> Beziehung<br />
gesetzt wurde. Diese hat e<strong>in</strong>e doppelte Grenze: Erstens ist <strong>die</strong><br />
Wissenschaft Erkenntnis des Seienden und nicht des Se<strong>in</strong>s,<br />
zweitens ist <strong>die</strong> Erkenntnis von Seiendem immer und notwendig<br />
als e<strong>in</strong> abgestecktes Gebiet und nicht das Seiende im<br />
Ganzen. Weder das Se<strong>in</strong> als solches noch das Seiende im Ganzen<br />
als solches, noch der <strong>in</strong>nere Zusammenhang zwischen Se<strong>in</strong> und<br />
Seiendem ist je e<strong>in</strong>er Wissenschaft oder ihnen allen zusammen<br />
zugänglich, aber nicht nur e<strong>in</strong>fach unzugänglich, sondern so,<br />
daß auf dem Grunde <strong>die</strong>ser Unzugänglichkeit und <strong>in</strong> dem so<br />
begrenzten Umkreis Wissenschaft alle<strong>in</strong> forschen kann. E<strong>in</strong>e<br />
Allgeme<strong>in</strong>wissenschaft ist e<strong>in</strong> Unbegriff. Bei <strong>die</strong>ser Begrenzung<br />
der Wissenschaft wird vor allem der Widers<strong>in</strong>n offenbar, der<br />
<strong>Philosophie</strong> das Beiwort »wissenschaftlich« <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>em<br />
S<strong>in</strong>ne zuzuweisen.<br />
§ 31. Se<strong>in</strong>sverständnis und ontologische Differenz 225<br />
Mit <strong>die</strong>ser Interpretation des Wesens der Wissenschaft haben<br />
wir vielleicht den Kern getroffen, aber damit ist <strong>die</strong> Interpretation<br />
nicht vollständig. Früher haben wir schon gezeigt, daß<br />
der Charakter des »Theoretischen« nicht nur unbestimmt ist,<br />
sondern überhaupt nicht ausreicht zur vollen Wesensbestimmung<br />
der Wissenschaft, vor allem dann nicht, wenn wir fragen:<br />
Was gehört wesentlich dazu, daß Wissenschaft faktisch sich verwirklicht?<br />
Entscheidend ist e<strong>in</strong>mal der Entwurf der Se<strong>in</strong>sverfassung;<br />
aber Se<strong>in</strong>sverständnis ist immer Verständnis des Se<strong>in</strong>s von Seiendem.<br />
In und bei <strong>die</strong>sem Entwurf muß auch schon e<strong>in</strong> Verhältnis<br />
zum Seiendem bestehen, und zwar e<strong>in</strong> eigenes, das<br />
gekennzeichnet ist durch <strong>die</strong> Tendenz der Bearbeitung, Beherrschung<br />
und Lenkung des Seienden. 1:EXVlJ ist nicht nur Vorform<br />
der bttO"t'ijlllJ, sondern geht wesentlich <strong>in</strong> sie e<strong>in</strong>; Beherrschung,<br />
Lenkung und Nutzbarmachung der Erkenntnis wird nicht nur<br />
<strong>in</strong> der Technik im engen S<strong>in</strong>ne, sondern <strong>in</strong> aller beruflichen<br />
Praxis erstrebt. Wissenschaft zielt immer auf »Leistung«, <strong>Philosophie</strong><br />
auf »Bildung« ,<strong>in</strong> dem grundsätzlichen S<strong>in</strong>n der platonischen<br />
:n:möda. In der Wissenschaft, <strong>die</strong> immer unabgeschlossen<br />
ist, gibt es daher notwendig Fortschritt und Entwicklung,<br />
Resultate, d. h. solches, was veraltet, während <strong>in</strong> der <strong>Philosophie</strong><br />
ke<strong>in</strong>e Resultate verbucht werden können und sie daher auch<br />
nicht veralten kann.<br />
Aber gerade durch <strong>die</strong>se scharfe Abgrenzung der Wissenschaft<br />
gegenüber der <strong>Philosophie</strong> wird der notwendige Zusammenhang<br />
der Wissenschaft mit der <strong>Philosophie</strong> offenkundig.<br />
E<strong>in</strong>e fruchtbare wechselseitige Bestimmung aber ist nur da<br />
sichergestellt, wo der wesenhafte Unterschied bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> Existenz<br />
des wissenschaftlichen Forschers und des Philosophen sich<br />
erstreckt und dort ergriffen wird. <strong>Philosophie</strong> im produktiven<br />
S<strong>in</strong>ne des <strong>Philosophie</strong>rens ist ganz anders <strong>in</strong> der <strong>in</strong>nersten und<br />
gan'ten Existenz des Philosophen verwurzelt als <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />
Untersuchung im Forscher. Grundsätzlich ist wissenschaftliche<br />
Arbeit des e<strong>in</strong>en immer vertretbar durch e<strong>in</strong>en