Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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212 Zum Unterschied von Wissenschaft und <strong>Philosophie</strong><br />
zuvor e<strong>in</strong> offenbares Vorliegendes, und <strong>die</strong>ses ist nur möglich im<br />
Entwurf. Dieses Entwerfen aber, das so alle Leidenschaft der<br />
wissenschaftlichen Zuwendung zur Sache trägt, gründet <strong>in</strong> der<br />
Transzendenz als der Grundverfassung des Dase<strong>in</strong>s.<br />
Wissenschaft macht das Seiende zum Gegenstand urid; kann<br />
das nur durch den ontologischen Entwurf, das Transzen<strong>die</strong>ren,<br />
<strong>in</strong> dem sich das Dase<strong>in</strong> zum »Se<strong>in</strong>« (Welt u. a.) »verhält«. Das<br />
Transzen<strong>die</strong>ren ist das andere, dessen <strong>die</strong> Wissenschaft als solche<br />
nicht mächtig ist und dessen sie gerade bedarf, um zu se<strong>in</strong>, was<br />
sie se<strong>in</strong> kann. Das Transzen<strong>die</strong>ren vollzieht <strong>die</strong> Begrenzung der<br />
Wissenschaft, und br<strong>in</strong>gt sie dadurch gerade zu sich selbst. Die<br />
Wissenschaft geht nur auf Seiendes als ihren Gegenstand, und<br />
zwar kann sie das auf Grund des ontologischen Entwurfs. Wir<br />
hörten aber, daß <strong>die</strong>ser auch schon immer e<strong>in</strong> Feld absteckt und<br />
damit eo ipso jede Wissenschaft je auf e<strong>in</strong> Gebiet festlegt und<br />
e<strong>in</strong>schränkt. Jede Wissenschaft muß sich auf Grund dessen, was<br />
ihr das Wesen gibt (Entwurf), auf e<strong>in</strong> Gebiet beschränken. Die<br />
Wissenschaft ist wesenhaft E<strong>in</strong>zelwissenschaft, d. h. es liegt im<br />
Wesen der Wissenschaft als ontologischer positiver Erkenntnis,<br />
daß es ke<strong>in</strong>e sogenannte allgeme<strong>in</strong>e Wissenschaft geben kann.<br />
Der Ausdruck »E<strong>in</strong>zel wissenschaft« ist daher schon e<strong>in</strong>e Tautologie<br />
und mißverständlich, weil er den Gedanken e<strong>in</strong>er Allgeme<strong>in</strong>wissenschaft<br />
nahelegt.<br />
So vollzieht der ontologische Entwurf e<strong>in</strong>e doppelte, <strong>in</strong> sich<br />
e<strong>in</strong>heitliche Begrenzung: 1. Wissenschaft ist Erkenntnis von<br />
Seiendem und nicht solche des Se<strong>in</strong>s; 2. als Wissenschaft von<br />
Seiendem ist sie je solche e<strong>in</strong>es bestimmten Gebiets und nie<br />
vom Seienden im Ganzen. Diese Begrenzung geschieht im Transzen<strong>die</strong>ren'<br />
und sie geschieht notwendig, wenn Wissenschaft<br />
existent, wirklich werden soll. Gerade dadurch, daß <strong>die</strong> Wissenschaft<br />
sich aufgibt, das Seiende an ihm selbst offenbar zu<br />
machen, muß sie den ontologischen Entwurf vollziehen, d. h. im<br />
Wesen zu solchem sich verhalten, was ihr selbst mit ihren Mitteln<br />
nicht mehr zugänglich, im Grunde also verborgen ist. So<br />
muß <strong>die</strong> Wissenschaft notwendig sich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
§ 28. Ontische und ontologische Wahrheit 213<br />
Gmkreis des Verborgenen, der sie ständig umgibt. Das In-der<br />
Wahrheit-se<strong>in</strong> der Wissenschaft ist gerade e<strong>in</strong> Umstelltse<strong>in</strong> von<br />
Verborgenheit. Selbst <strong>die</strong>se Verborgenheit des Se<strong>in</strong>s ist für jede<br />
Wissenschaft je nur e<strong>in</strong>e beschränkte. Die Wissenschaft ist derart<br />
und notwendig begrenzt, daß sie nicht e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong> Grenzverborgenheit<br />
um sich hat, <strong>die</strong> mit der Wirklichkeit von<br />
Wissenschaft sich gerade e<strong>in</strong>stellt.<br />
So zeigt sich zugleich, was früher nur vorläufig angezeigt<br />
wurde, daß mit der Unverborgenheit je notwendig Verborgenheit<br />
zusammengeht. Was der Wissenschaft <strong>die</strong> Helle gibt, im<br />
S<strong>in</strong>ne der Offenbarkeit von Seiendem, versetzt sie zugleich <strong>in</strong>s<br />
Dunkel - im S<strong>in</strong>ne der Verborgenheit des Se<strong>in</strong>s. Die relative<br />
Helle wissenschaftlicher Erkenntnis des Seienden ist umdrängt<br />
vom Dunkel des Se<strong>in</strong>sverständnisses. Denn auch im ontologischen<br />
Entwurf, der geschieht bei der Gründung und Ausbildung<br />
und überhaupt <strong>in</strong> der Geschichte der Wissenschaft, ist zwar Se<strong>in</strong><br />
verstanden und <strong>in</strong> gewisser Weise um-grenzt, aber nicht erfaßt,<br />
d. h. nicht eigens als Se<strong>in</strong> begriffen. Das Verstehen von Se<strong>in</strong> aber<br />
geschieht im Transzen<strong>die</strong>ren. Wenn <strong>die</strong>ses Verständnis des Se<strong>in</strong>s<br />
sich zum Bestimmen und gar Begreifen des Se<strong>in</strong>s als solchen<br />
ausbilden kann, dann müssen im Transzen<strong>die</strong>ren selbst verschiedene<br />
Möglichkeiten liegen, gemäß denen es unausdrücklieh<br />
oder ausdrücklich geschieht. Wenn das Transzen<strong>die</strong>ren<br />
ausdrücklich und eigens vollzogen wird, dann heißt das zunächst<br />
und unter anderem: Es wird gefragt, was <strong>die</strong>ses im<br />
Sf'<strong>in</strong>sentwurf entworfene Se<strong>in</strong> selbst besage und wie dergleichen<br />
Verständnis möglich werde. Wenn nun <strong>die</strong> Transzendenz<br />
das Grundwesen des menschlichen Dase<strong>in</strong>s überhaupt ausmacht,<br />
so geschieht im ausdrücklichen Transzen<strong>die</strong>ren nichts<br />
Ger<strong>in</strong>geres als das, daß das wesenhaft transzen<strong>die</strong>rende Dase<strong>in</strong><br />
im ausdrücklichen Geschehenlassen der Transzendenz wesentlich<br />
wird. Dieses Wesentlichwerden des Dase<strong>in</strong>s im ausdrücklichen<br />
Transzen<strong>die</strong>ren, das ausdrückliche Fragen nach dem Se<strong>in</strong><br />
als solchen, ist nichts anderes als das <strong>Philosophie</strong>ren.