Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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280 Weltanschauung und Weltbegriff<br />
Die Erkenntnis und Synthesis der Gegenstände möglicher Erfahrung<br />
ist »jederzeit bed<strong>in</strong>gt« (A 308, B 365). Zwar liegt im<br />
Begriff des Bed<strong>in</strong>gten analytisch der der Bed<strong>in</strong>gung. Aber damIt<br />
ist noch nicht gesagt, daß wenn das Bed<strong>in</strong>gte gegeben sei, auch<br />
<strong>die</strong> Bed<strong>in</strong>gung - dazu »<strong>die</strong> ganze Reihe e<strong>in</strong>ander untergeordneter<br />
Bed<strong>in</strong>gungen, <strong>die</strong> mith<strong>in</strong> selbst unbed<strong>in</strong>gt ist« (A 307 f.,<br />
B 364) - gegeben sei.<br />
E<strong>in</strong> Satz, der so etwas aussagt, ist e<strong>in</strong> synthetischer Satz, und<br />
zwar re<strong>in</strong> aus der Idee der Vernunft als Vermögen des Schließens<br />
und der Pr<strong>in</strong>zipien. E<strong>in</strong>e solche Erkenntnis aber - synthetisch<br />
und aus re<strong>in</strong>er Vernunft - nennt Kant Pr<strong>in</strong>zip schlechth<strong>in</strong>.<br />
»Ideen« nun »enthalten e<strong>in</strong>e gewisse Vollständigkeit, zu welcher<br />
ke<strong>in</strong>e mögliche empirische Erkenntnis zulangt, und <strong>die</strong> Vernunft<br />
hat dabei nur e<strong>in</strong>e systematische E<strong>in</strong>heit im S<strong>in</strong>ne, welcher sie<br />
<strong>die</strong> empirisch mögliche E<strong>in</strong>heit zu nähern sucht, ohne sie jemals<br />
völlig zu erreichen« (A 567/8, B 595/6). »Ich verstehe aber unter<br />
e<strong>in</strong>em Systeme <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit der mannigfaltigen Erkenntnisse un<br />
ter e<strong>in</strong>er Idee. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form e<strong>in</strong>es<br />
Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des,Mannigfaltigen<br />
sowohl als <strong>die</strong> Stelle der Teile untere<strong>in</strong>ander apriori bestimmt<br />
wird.« (A 832, B 860)<br />
Die Idee stellt e<strong>in</strong> Ganzes, <strong>die</strong> Ganzheit e<strong>in</strong>es Ganzen vor, das<br />
als solches nie empirisch zu durchmessen und zu gew<strong>in</strong>nen ist. Die<br />
Idee überspr<strong>in</strong>gt also im vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> jedes mögliche empirische<br />
Ganze; <strong>die</strong> <strong>in</strong> der Idee vorgestellte Ganzheit (Totalität) ist solche<br />
nicht <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>er bestimmten H<strong>in</strong>sicht, sondern <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht,<br />
<strong>in</strong> aller Absicht, d.h. absolut. »Absolut« gebraucht Kant nach ausdrücklicher<br />
Erläuterung des Begriffs (A 324 f., B 380 f.) <strong>in</strong> der<br />
Bedeutung von »<strong>in</strong> jeder Beziehung«, »schlechth<strong>in</strong>«. Idee ist <strong>die</strong><br />
vorgängige Vorstellung e<strong>in</strong>er absoluten Totalität. (Vgl. <strong>in</strong> Kants<br />
Dissertation das von »Welt« Gesagte; siehe oben S. 251 f.)<br />
Nun ist entscheidend zu verstehen, worauf sich e<strong>in</strong>e solche<br />
Idee bezieht. »Das absolute Ganze aller Ersche<strong>in</strong>ungen ist nur<br />
e<strong>in</strong>e Idee, denn da wir dergleichen niemals im Bilde entwerfen<br />
können, so bleibt es e<strong>in</strong> Problem ohne alle Auflösung« CA 328,<br />
§ J4. Kants Weltbegrijf 281<br />
B 384). Die <strong>in</strong> der Vorstellung e<strong>in</strong>er absoluten Totalität liegende<br />
E<strong>in</strong>heit bezieht sich also nie auf das jeweils anschaulich Gegebene<br />
als solches; freilich steht <strong>die</strong>ses immer schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit<br />
der reweiligen Erfahrung, und <strong>die</strong>se E<strong>in</strong>heit ist bestimmt durch<br />
<strong>die</strong> Grundsätze des Verstandes. Wenn sonach <strong>die</strong> Idee e<strong>in</strong>e noch<br />
höhere, aber anschaulich nicht darstellbare E<strong>in</strong>heit br<strong>in</strong>gt, so<br />
kann sich <strong>die</strong>se nur auf <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit des Verstandes, d.h. der Synthesis<br />
desselben beziehen. Verstand ist das Vermögen des Ich<br />
verb<strong>in</strong>de; ich denke == ich verb<strong>in</strong>de == ich urteile.<br />
Die Idee hat demnach <strong>die</strong> Funktion, dem Verstand »<strong>die</strong> Richtung<br />
auf e<strong>in</strong>e gewisse E<strong>in</strong>heit vorzuschreiben, von der der<br />
Verstand ke<strong>in</strong>en Begriff hat, und <strong>die</strong> darauf h<strong>in</strong>ausgeht, alle Verstandeshandlungen,<br />
<strong>in</strong> Ansehung e<strong>in</strong>es jeden Gegenstandes, <strong>in</strong><br />
pm absolutes Ganzes zusammenzufassen« CA 326/7, B 383). So<br />
wie,'der Verstand das Mannigfaltige der Anschauung unter Begriffe<br />
und dadurch jenes <strong>in</strong> Verknüpfung br<strong>in</strong>gt, so br<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />
Idee <strong>die</strong> Mannigfaltigkeit der Regeln des Verstandes und damit<br />
<strong>die</strong>sen »mit sich selbst <strong>in</strong> durchgängigen Zusammenhang«<br />
(A 305, B 362). Ideen s<strong>in</strong>d daher nie unmittelbar auf Anschauung<br />
bezogen, sondern immer auf den Verstand und das, was er als<br />
Vermögen der Begriffe, der Synthesis e<strong>in</strong>igt, auf Verstandese<strong>in</strong>heit<br />
CA 307, B 363). Das ist wesentlich für <strong>die</strong> weitere Bestimmung,<br />
<strong>die</strong> Kant der Idee gibt.<br />
Diese Ideen aber - als Vorstellungen e<strong>in</strong>er absoluten Totalität<br />
»s<strong>in</strong>d nicht willkürlich erdichtet, sondern durch <strong>die</strong> Natur der<br />
Vernunft selbst aufgegeben, und beziehen sich daher notwendigerweise<br />
auf den ganzen Verstandesgebrauch« CA 327, B 384). Sie<br />
smd CA 329, B 385): »... ke<strong>in</strong>esweges für überflüssig und nichtig<br />
anzusehen ...« Die Ideen s<strong>in</strong>d notwendige Begriffe, und zwar<br />
der Vernunft. Sie gehören zur Natur derselben. (Vgl. S. 284, Stufenleiter.)<br />
Welches ist das Wesen der Vernunft? Kant sagt: »Wir erkläretpn,<br />
im ersteren Teile unserer transzendentalen Logik, den Verstand<br />
durch das Vermögen der Regeln; hier unterschieden wir <strong>die</strong><br />
Vernunft von demselben dadurch, daß wir sie das Vermögen der