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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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192 Wesensbereich der Wahrheit - Wesen der Wissenschaft<br />

vorgängige Se<strong>in</strong>sverständnis uns e<strong>in</strong> Licht vorhält, Seiendes anzutreffen<br />

vermögen. Wir verstehen Se<strong>in</strong> und verstehen es<br />

vorgängig.<br />

Wenn das aber zutrifft, dann ist das Se<strong>in</strong>sverständnis nicht<br />

erst dann da, wenn wir Naturwissenschaft oder sonst e<strong>in</strong>e Wissenschaft<br />

treiben, sondern jederzeit und überall, wo wir uns zu<br />

Seiendem verhalten, wo Seiendes offenbar ist, demnach auch<br />

schon im vorwissenschaftlichen Dase<strong>in</strong>, ebenso im wissenschaftlichen<br />

Dase<strong>in</strong>, ohne daß <strong>die</strong>ses eigens schon Wissenschaft<br />

treibt. In unserem alltäglichen und belanglosesten, äußerlichsten<br />

Umgang mit den D<strong>in</strong>gen liegt schon und muß liegen e<strong>in</strong><br />

vorgängiges Se<strong>in</strong>sverständnis. Wenn wir z. B. e<strong>in</strong>e weiter gar<br />

nicht beachtete Handlung vollziehen wie das Öffnen e<strong>in</strong>er Tür,<br />

was wir täglich mehrmals tun, liegt dar<strong>in</strong> das Anfassen der<br />

Kl<strong>in</strong>ke. Verständen wir nicht im vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, was e<strong>in</strong> Gebrauchsd<strong>in</strong>g<br />

- Werkzeug, Fahrzeug, Schreibzeug, Meßzeug, Feuerzeug,<br />

d. h. überhaupt Zeug - besagt, dann wären wir nicht imstande,<br />

von der Kl<strong>in</strong>ke als solcher Gebrauch zu machen.<br />

Aber: e<strong>in</strong> geschickter Affe oder Hund vermag ebenso, <strong>die</strong> Tür<br />

zu öffnen und aus- und e<strong>in</strong>zugehen. Gewiß, <strong>die</strong> Frage i~t nur, ob<br />

er, wenn er da etwas betastet und drückt, e<strong>in</strong>e Kl<strong>in</strong>ke anfaßt und<br />

ob er dergleichen wie e<strong>in</strong>e Tür öffnet. Wir reden so daher, als<br />

vollziehe der Hund dasselbe wie wir; aber es ist nj.cht das m<strong>in</strong>deste<br />

Kriterium dafür vorhanden, daß der Hund <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong>e<br />

Kl<strong>in</strong>ke gebraucht, ja noch mehr, es ist nicht das m<strong>in</strong>deste Kriterium<br />

dafür da zu sagen, er verhält sich zu Seiendem, obzwar er<br />

sich auf solches bezieht, was wir als e<strong>in</strong> Seiendes kennen.<br />

Wir vermöchten e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g, das wir mit Recht Messer nennen,<br />

nie als Messer, als D<strong>in</strong>g zum Schneiden, zu erkennen und könnten<br />

es nie gebrauchen, wenn wir nicht dergleichen verständen<br />

wie: e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g, um zu ... , e<strong>in</strong> Zeug zum Schneiden. Wir lernen<br />

nicht, was e<strong>in</strong> Zeug ist, dadurch daß wir Messer, Schreibzeug,<br />

Nähzeug benutzen, sondern umgekehrt, wir können dergleichen<br />

Seiendes nur vorf<strong>in</strong>den, weil wir und sofern wir so etwas<br />

wie Zeug verstehen. Dies verstehen wir im vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, wir br<strong>in</strong>-<br />

§ 26. Se<strong>in</strong>sverständnis im wissenschaftlichen Entwuif 193<br />

gen solches Verstehen schon mit, und nur deshalb können wir<br />

lernen, mit derartigem Zeug umzugehen. Wir verstehen vorgängig<br />

dergleichen wie Zeug und Zuhandense<strong>in</strong>, und doch s<strong>in</strong>d<br />

wir weit entfernt, sagen zu können, was Zeug als solches bedeutet,<br />

als was es zu begreifen sei. Verständnis von Se<strong>in</strong> ist noch<br />

nicht Begreifen des Se<strong>in</strong>s. Im Verhalten zum Seienden, welcher<br />

Art immer, bewegen wir uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorgängigen, und zwar<br />

vorbegrifflichen Se<strong>in</strong>sverständnis.<br />

Weil wir uns auch schon im nichtwissenschaftlichen Verhalten<br />

zu Seiendem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorgängigen Verständnis des Se<strong>in</strong>s<br />

<strong>die</strong>ses Seienq.en bewegen, deshalb merken wir gewissermaßen<br />

zunächst und langeh<strong>in</strong> gar nicht, was da im Grunde vor sich<br />

geht, wenn wir, statt Gebrauchsd<strong>in</strong>ge zu gebrauchen, materielle<br />

Körper auf ihre Bewegungszusammenhänge und Gesetze erforschen.<br />

Wir merken nicht, daß sich e<strong>in</strong> Wandel des vorgängigen<br />

Se<strong>in</strong>sverständnisses vollzogen hat. Es sieht vielmehr so aus, als<br />

sei eben das Seiende anders geworden. Ja, selbst <strong>die</strong>jenigen Forscher,<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Wissenschaft erstmals begründen und <strong>in</strong> Gang<br />

br<strong>in</strong>gen, <strong>die</strong> also gleichsam erstmals <strong>die</strong>sen Wandel des vorgängigen<br />

Se<strong>in</strong>sverständnisses vollziehen - während <strong>die</strong> anderen<br />

ihn nur mit- und nachvollziehen -, selbst <strong>die</strong>se haben ke<strong>in</strong><br />

Wissen von dem, was sich da im Grund ereignet; jedenfalls<br />

brauchen sie nicht notwendig e<strong>in</strong> solches zu haben.<br />

b) Wandel des Se<strong>in</strong>sverständnisses: e<strong>in</strong> Beispiel aus der Physik<br />

Der Wandel des Se<strong>in</strong>sverständnisses stellt sich ihnen vielmehr<br />

<strong>in</strong> derjenigen Form dar, <strong>die</strong> alle wissenschaftlichen Vorstellungen<br />

haben, als Umgrenz,ung von Begriffen; nur s<strong>in</strong>d es jetzt <strong>die</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>sten Grundbegriffe und Vorstellungen, <strong>die</strong> bestimmt<br />

werden: Masse, Kraft, Geschw<strong>in</strong>digkeit, Bewegung, Ort, Zeit;<br />

im H<strong>in</strong>blick auf das Feld der betreffenden Wissenschaft geben<br />

sie h<strong>in</strong>reichende Charakteristik derselben. Aber es bleibt dunkel,<br />

was <strong>die</strong>se Begriffe im Grunde me<strong>in</strong>en; sie figurieren eben<br />

als <strong>die</strong> allgeme<strong>in</strong>sten Begriffe bezüglich des Seienden (Natur

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