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Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe

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300 Weltanschauung und Weltbegriff<br />

lesung Kants (1792), <strong>die</strong> sich unter den Kollegheften des Grafen<br />

He<strong>in</strong>rich zu Dohna-Wundlaken fand.!B Weltkenntnis: »Sie<br />

macht gescheit und klug, se<strong>in</strong>e Geschicklichkeit an den Mann<br />

zu br<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong> Mann von Welt ist Mitspieler im großen Spiel<br />

des Lebens.« (A.a.O., S. 71) Welt = das große Spiel des Lebens,<br />

= Lebenserfahrung, das menschliche Dase<strong>in</strong> als solches. Weltkenntnis<br />

= Menschenkunde. Früher habitatores mundi, jetzt<br />

Mitspieler. »Der größte Teil der Menschen bildet sich durch<br />

Schule zur Welt und wird durch <strong>die</strong> Welt für <strong>die</strong> Welt gebildet.<br />

Beides vermengt, 1. Schulkenntnisse und 2. Bildung durch den<br />

Umgang, tut am besten.« »Weltmann heißt, <strong>die</strong> Verhältnisse zu<br />

anderen Menschen und wie's im menschlichen Leben zugeht,<br />

wissen.« »Welt haben, heißt Maximen haben und große Muster<br />

nachahmen.« »Man kann viel Welt haben und doch Ignorant<br />

se<strong>in</strong>. Welt beruht auf Formalien.« »Das Wort Klugheit wird <strong>in</strong><br />

zweifachem S<strong>in</strong>n genommen, e<strong>in</strong>mal kann es den Namen Weltklugheit,<br />

im zweiten den der Privatklugheit führen. Die erste ist<br />

<strong>die</strong> Geschicklichkeit e<strong>in</strong>es Menschen, auf andere E<strong>in</strong>fluß zu<br />

haben, um sie zu se<strong>in</strong>en Absichten zu gebrauchen«.!9 Welt: das<br />

Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong>. Ferner: »Pragmatisch ist e<strong>in</strong>e Geschichte abgefaßt,<br />

wenn sie klug macht, d. i. <strong>die</strong> Welt belehrt, wie sie ihren<br />

Vorteil besser, oder wenigstens eben so gut, als <strong>die</strong> Vorwelt, besorgen<br />

könne« (ebd.). »Welt« und »Vorwelt« besagen hier ganz<br />

klar: <strong>die</strong> Menschen selbst <strong>in</strong> ihrem Mite<strong>in</strong>anderse<strong>in</strong> und nicht<br />

etwa der Kosmos oder <strong>die</strong> Natur. Welt: der Titel für das menschliche<br />

Dase<strong>in</strong>, und zwar <strong>in</strong> Rücksicht darauf, wie es <strong>in</strong> ihm<br />

zugeht, das Spiel des Mite<strong>in</strong>ander der Menschen <strong>in</strong> ihrem Verhältnis<br />

zum Seienden. Welt: Titel für Menschen, und gerade<br />

nicht als Glied des Kosmos, Naturd<strong>in</strong>g, sondern <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en geschichtlichen<br />

Existenzbezügen. Der Welt begriff ist hier viel<br />

e<strong>in</strong>deutiger <strong>in</strong> Richtung auf das menschliche Dase<strong>in</strong> gefaßt.<br />

18 Vgl. Anm. 15. A.a.O., S. 71 f.<br />

19 Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Herausgegeben<br />

von Karl Vorlander. 6. Aufl., LeIpzig 1925. S. 42, Anmerkung .•<br />

§ 34. Kants Weltbegriff 301<br />

Diese Bedeutung von» Welt« ist geme<strong>in</strong>t, wenn <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

»Weltweisheit« genannt wird und wenn Kant <strong>in</strong>sbesondere<br />

<strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> im Ganzen <strong>in</strong> doppelter H<strong>in</strong>sicht charakterisiert:<br />

<strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> nach dem Schul begriff und <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong><br />

nach dem Weltbegriff. Es ist wieder <strong>die</strong> Unterscheidung<br />

des ,Erkennens, <strong>die</strong> uns schon <strong>in</strong> der <strong>E<strong>in</strong>leitung</strong> zur Anthropologie<br />

begegnete.<br />

Diese Charakteristik f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ausgezeichneten<br />

Schluß abschnitt der »Kritik der re<strong>in</strong>en Vernunft«, wo Kant sich<br />

über <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> im Ganzen grundsätzlich äußert. Er sagt<br />

hier (A 839 f., B 867 f.): »Der Mathematiker, der Naturkündiger,<br />

der Logiker s<strong>in</strong>d, so vortrefflich <strong>die</strong> ersteren auch überhaupt<br />

im Vernunfterkenntnisse, <strong>die</strong> zweiten besonders im<br />

philosophischen Erkenntnisse Fortgang haben mögen, doch nur<br />

Vernunftkünstler. Es gibt noch e<strong>in</strong>en Lehrer im Ideal, der alle<br />

<strong>die</strong>se ansetzt, sie als Werkzeuge nutzt, um <strong>die</strong> wesentlichen<br />

Zwecke der menschlichen Vernunft zu befördern. Diesen alle<strong>in</strong><br />

müßten wir den Philosophen nennen; aber, da er selbst doch<br />

nirgend, <strong>die</strong> Idee aber se<strong>in</strong>er Gesetzgebung allenthalben <strong>in</strong> jeder<br />

Menschenvernunft angetroffen wird, so wollen wir uns<br />

lediglich an der letzteren halten, und näher bestimmen, was<br />

<strong>Philosophie</strong>, nach <strong>die</strong>sem Weltbegriffe, für systematische E<strong>in</strong>heit<br />

aus dem Standpunkte der Zwecke vorschreibe.«<br />

Wir haben hier zunächst den Unterschied zwischen »Vernunftkünstler«<br />

und dem »Lehrer im Ideal«, d.h. <strong>in</strong> dem, was<br />

den göttlichen Menschen <strong>in</strong> uns ausmacht, <strong>in</strong> dem, was für<br />

jeden Menschen als existierenden, handelnden wesentlich ist.<br />

Die <strong>Philosophie</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne, d. h. <strong>die</strong> es absieht auf das<br />

menschliche Dase<strong>in</strong> als solches, ist <strong>die</strong> nach dem Weltbegriff,<br />

d. h. Welt besagt auch hier wieder: das menschliche Dase<strong>in</strong> im<br />

Wesentlichen se<strong>in</strong>er Existenz. Kant gibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Anmerkung zu<br />

<strong>die</strong>ser Stelle über<strong>die</strong>s noch e<strong>in</strong>e ausdrückliche Erläuterung:<br />

»Weltbegriff heißt hier derjenige, der das betrifft, was jedermann<br />

notwendig <strong>in</strong>teressiert; mith<strong>in</strong> bestimme ich <strong>die</strong> Absicht<br />

e<strong>in</strong>er Wissenschaft nach Schulbegriffen, wenn sie nur als e<strong>in</strong>e

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