Einleitung in die Philosophie - gesamtausgabe
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312 Weltanschauung und In-der-Welt-se<strong>in</strong><br />
Spielen selbst. Spielen ist se<strong>in</strong>em Grundcharakter nach e<strong>in</strong> In<br />
Stimmung-se<strong>in</strong>, Gestimmtse<strong>in</strong>; ja, sogar umgekehrt gilt: zu jeder<br />
Stimmung gehört Spiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz weiten S<strong>in</strong>ne. Nicht<br />
nur im Spielen liegt Freude, sondern <strong>in</strong> aller Freude - und nicht<br />
nur <strong>in</strong> ihr -, <strong>in</strong> jeder Stimmung liegt so etwas wie e<strong>in</strong> Spiel.<br />
Denn »<strong>die</strong> Spiele« s<strong>in</strong>d je nur bestimmte faktische Möglichkeiten<br />
und Ausformungen des Spielens. Wir spielen nicht, weil es<br />
Spiele gibt, sondern umgekehrt: Es gibt Spiele, weil wir spielen,<br />
und zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten S<strong>in</strong>ne des Spielens, das sich nicht<br />
notwendig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Sichbeschäftigen mit Spielen äußert.<br />
Das Spielen ist demnach 1. ke<strong>in</strong>e mechanische Abfolge von<br />
Vorgängen, sondern e<strong>in</strong> freies, d. h. immer regelgebundenes Geschehen.<br />
2. Dabei ist <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Geschehen nicht wesentlich das<br />
Handeln und Tun, sondern das Entscheidende am Spielen ist<br />
gerade der spezifische Zustandscharakter, das eigentümliche<br />
Sich-dabei-bef<strong>in</strong>den. 3. Weil so nicht das Verhalten das Wesentliche<br />
im Spielen ist, deshalb ist auch <strong>die</strong> Regelung von anderem<br />
Charakter, nämlich: Die Regeln bilden sich erst im Spielen. Die<br />
B<strong>in</strong>dung ist e<strong>in</strong>e freie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganz besonderen S<strong>in</strong>ne. Das<br />
Spielen spielt sich, und zwar jedesmal erst auf e<strong>in</strong> Spiel e<strong>in</strong>, das<br />
sich dann ablösen kann als Regelsystem. In <strong>die</strong>sem Siche<strong>in</strong>spielen<br />
auf ... entsteht erst das Spiel, muß aber nicht sich ausformen<br />
zu Regelsystem, Vor-schriften. Dar<strong>in</strong> liegt aber 4. Die<br />
Spielregel ist ke<strong>in</strong>e feste, irgendwoher bezogene Norm, sondern<br />
ist wandelbar im Spielen und durch das Spielen. Dieses schafft<br />
sich selbst jedesmal gleichsam den Raum, <strong>in</strong>nerhalb dessen es<br />
sich bilden und d. h. zugleich umbilden kann.<br />
In <strong>die</strong>sem ursprünglichen, weiten und schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
metaphysischen S<strong>in</strong>n ist der Ausdruck »Spiel« zu nehmen,<br />
wenn wir jetzt sagen: »Welt« ist der Titel für das Spiel, das <strong>die</strong><br />
Transzendenz spielt. Das In-der-Welt-se<strong>in</strong> ist <strong>die</strong>ses ursprüngliche<br />
Spielen des Spiels, auf das e<strong>in</strong> jedes faktische Dase<strong>in</strong> sich<br />
e<strong>in</strong>spielen muß, um sich abspielen zu können, derart, daß ihm<br />
faktisch so oder so mitgespielt wird <strong>in</strong> der Dauer sei~er Existenz.<br />
§ 36. Welt als »Spiel des Lebens« 313<br />
Es ist nun wesentlich, daß der geme<strong>in</strong>e Verstand gleichsam<br />
nichts davon merkt, von <strong>die</strong>sem ursprünglichen Spiel der Transzendenz,<br />
und er gerät deshalb sofort <strong>in</strong> Entsetzen, wenn ihm<br />
das Ans<strong>in</strong>nen gestellt wird, auf e<strong>in</strong> Spiel gesetzt zu se<strong>in</strong> -, wo<br />
doch alles se<strong>in</strong>e festen Regeln und Normen hat, se<strong>in</strong>e behäbige<br />
Sicherheit. Das menschliche Dase<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spiel ausliefern?<br />
Den Menschen auf das Spiel des Dase<strong>in</strong>s setzen? In der Tat!<br />
Aber wir dürfen nicht vergessen: Spiel wird erstens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
ganz weiten S<strong>in</strong>ne genommen, und solches Spiel ist alles andere<br />
als »spielerisch«, bloßes Spiel gegenüber der Wirklichkeit -<br />
<strong>die</strong>sen Unterschied gibt es gar nicht <strong>in</strong> der Transzendenz. Vor<br />
allem aber ist als Spiel nicht charakterisiert das jeweilige faktische<br />
Verhalten, sondern das, was es ermöglicht. Damit ist<br />
gesagt, daß <strong>die</strong>ses Spiel zunächst gerade verborgen ist. Zweitens<br />
wIrd< Spiel genommen als <strong>in</strong> sich übersteigend übersprungen,<br />
vorgängig erschlossen.<br />
E<strong>in</strong> Spiel ist nicht e<strong>in</strong> Sichabspielen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Subjekt, sondern<br />
umgekehrt. In <strong>die</strong>sem Spiel der Transzendenz ist schon<br />
Jedes Seiende, dazu wir uns verhalten, umspielt, und alles Verhalten<br />
auf <strong>die</strong>ses Spiel e<strong>in</strong>gespielt.<br />
Aber gerade dann, wenn <strong>die</strong> Transzendenz e<strong>in</strong> Spiel se<strong>in</strong> soll,<br />
gerät doch alles <strong>in</strong>s Wanken. Wir sagten früher: Zur Transzendenz<br />
gehört Se<strong>in</strong>sverständnis. 1 Das Se<strong>in</strong>, das da verstanden wird,<br />
I Die Frage nach dem Begriff des Se<strong>in</strong>s und all dem, was dar<strong>in</strong> beschlossen<br />
hegt, ist der Ubergang des selbstverständlichen Se<strong>in</strong>sverstehens zum radikalen<br />
Regreifenwollen.<br />
vVas ist das Verstehen des Se<strong>in</strong>s? Woh<strong>in</strong> sollen wir uns versetzen, um den<br />
Ausgang für <strong>die</strong> Frage zu nehmen? Nun, WIr brauchen uns gar nicht erst darem<br />
zu versetzen, wir bewegen uns schon Immer dann, WIr, das SeIende, das wir je<br />
smd, das wir Mensch nennen und davon WIr bestImmte Vorstellungen und<br />
ßpgnffe haben, sogar Anthropologie.<br />
Se<strong>in</strong>sverständms ist etwas, was an Menschen vorkommt, e<strong>in</strong>e EIgenschaft,<br />
EIgentümlichkeIt; also 1st Se<strong>in</strong>sverständnis eme EIgenschaft des Menschen, <strong>in</strong><br />
das Wesen des Menschen mit embezogen. Daraus folgt aber hIer, daß doch<br />
"ben, wenn anders <strong>die</strong>se Semsfrage Grundfrage der Metaphysik ist, der<br />
vlt'nsch zum Zentrum der Problematik wIrd. GIbt es e<strong>in</strong>e radIkalere Recht-